aie Mischna sagt: N"!VN NV2N1 die Gelehrtenweisheit wird stagniren,
wie ein stehendes Wasser faulig wird. Der einseitig bis zum äußersten Extrem getriebene Pilpul wirkte verheerend auf den Geist, die Sitten und die ganze Denkungsweise. Schon die alten, großen Gesetzeslehrer, namentlich der „Schloh" — R. Jesaja Horwitz), hatten gegen die Ausschreitungen der von R. Jacob Pollak (um 1630) eingeführten neuen pilpulistischen Methode vom religiösen Standpunkte die schärfsten Proteste eingelegt. Ursprünglich auf deutschen Boden verpflanzt, hatten eigenthümliche Kunstgriffe deutsche Benennungen erhalten. Was man unter einem Augsburger oder Regensburger (dialektische Kunststücke der dortigen Talmudschulen) verstanden hat, weiß heute Niemand mehr zu sagen. Der berühmte R. Me ier S c hiff ( 1630) sagt im Kommentar zu Kidduschin: Ich werde keinen Regensburger bringen. Deutschland war auch nicht der Boden dafür. Schon R. Juda Chossid aus Worms (um 1240) hinterließ in seinem Testamente die Warnung, es solle kein Freund der Thora im Franken- oder Schwabenlande wohnen; er setze seine Nachkommenschaft der Gefahr der Unwissenheit aus. Die grausamen Jndenverbrennungen in 70 deutschen Städten, hatten die deutsche Judenheit zur Flucht nach Polen gezwungen, wo die Nachkommen der altberühmten französischen und rheinländischen Gelehrtenfamilien das Licht des Thorastudiums entzündet hatten. Der slavische Boden war im Gegensatz zum deutschen der denkbar günstigste Boden für die Entwickelung jüdischen Geistes, und das Talmudstudium nahm daselbst einen Aufschwung, wie nie zuvor, begünstigt durch die Erfindung der Buchdruckerkunst. Während noch der Rosch in seinen Responsen darüber klagt, daß in Spanien keine Stadt zu finden sei, in der sich vollzählige Talmud-Exemplare befänden, gab es in Polen keinen Flecken, in welchem nicht ganze Bibliotheken mit täglich neu erstehenden Druckwerken zu finden waren. Aber, man that des Guten zu viel. Während es im Talmud heißt: Von Tausend, die zum Schriftstudium kommen, gelangen nur Hundert zur Mischna, und schließlich nur Einer zum wirklichen Talmudstudium, wurde hier das Ideal erreicht, nachdem das Feld durch Jahrhunderte völlig brach gelegen hatte, daß es eine Zeit lang fast keinen Amhoorez gab. Alles, bis zum Fleischhauer, Wasserträger, Fuhrmann und Steinklopfer hinab, war Gelehrter. Leute, die man ihrem Aeußeren nach eher für Kosaken gehalten hätte, kannten das ungeheure Riesenwerk auswendig. Dadurch schwand die Autorität der wahrhaft Großen, die man häufig fast Hungers sterben ließ, während sie im Auslande schwärmerische Bewunderung fanden. Selbst der „Bach" mußte es sich gefallen lassen, als Rabbiner in Belz von seinem Schulchason mit dem Epitheton „Amhoorez" belegt zu werden, und war in Folge der entstandenen Streitigkeiten, Streitschriften und eingeholten Gutachten bei anderen Autoritäten genöthigt, seinen Platz zu verlassen, gerettet durch eine pünktlich eingetroffene Berufung nach Krakau. Der gelehrte Pöbel mit seiner Zanksucht, rohen Arroganz und seinen verwilderten Sitten vernichtete alle Autorität. Bei dem rastlosen Eifer und dem außergewöhnlichen mnemotechnischen Talent, mit welchem die Massen das Studium betrieben, mußte das Schwergewicht auf den qualitativen Scharfsinn verlegt werden. Daraus entstand der eigentliche Pilpul, der sich selbst an Witz, Schärfe und eingehendster Tiefe zu überbieten bestrebt war. Man schliff das Messer, den Stiel wie die Klinge, so lange, bis von beiden nichts übrig blieb und Alles auf den Kopf gestellt war. Dazu wuchs die Literatur in's Ungeheure an. Während die Alten, Rif, Raschi, Rambam, Rosch in ihren Responsen sich so kurz und scharf als nur möglich hielten, lange Anfragen und Begründungen oft nur mit einem einzigen Worte: Ja oder Nein, entschieden, erforderte die Beantwortung der geringfügigsten Frage ganze Broschüren, da alle ähnlichen in Responsen