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rasirt, die man kaum von Weibern unterscheiden kann, saft- und kraftlos, ohne jüdisches Abzeichen, mit Ausnahme einiger ehrwürdiger Gestalten, dazu im Vordergründe der lithauische Rabbiner der Rheinlande, Katzenelnbogen, groß, hager, düster, das gelehrte Gesicht von Nachtwachen abgehärmt, mit dem wilden, damals üblichen Haarwuchs. Das Ganze eingerahmt von einer französischen Frauen- gesellschaft in schamloser Tracht. Im Mittelpunkte der Präsident Fontana, marranischer Abkunft. Napoleon glaubte das Judenthum beim Kopfe gepackt zu haben. Es war nur eine Perrücke, die ihm in der Hand blieb.
Vierzig Jahre früher hatte R. Jacob Emden eine heftige Satyre von den Dajanim einer großen polnischen Stadt entworfen, die ihm keine Gefolgschaft bei seinen Angriffen leisten wollten, ihre Schwächen gegeißelt, wie sie sich allnächtlich nach vollbrachter Tagesarbeit beim Meth in der Schänke gütlich thun, usw. usw.
Dieser Lord Feuerbrand war der Mustertypus seines Zeitalters, eine Verkörperung aller seiner Vorzüge und Schwächen. Hoch die Menge überragend, war er weit mehr als ein Gelehrter und Schriftsteller ersten Ranges. Er war ein Stück Volksseele, in welcher sich die innere Ledensthätigkeit des Zeitalters wiederspiegelte im vollsten Sinne des Talnmdwortes (l^NIVI 111 111): 1111 >2^ >2^ 111 das heißt: Jedes Zeitalter steht
mit seinen Führern in einer Wechselwirkung. Es bildet dieselben aus seinen innersten Anlagen heraus und wird doch nur selbst durch Jene gebildet. R. Jacob Emden hat, ohne es zu wollen, ohne es zu ahnen, ja, gegen seinen Willen, dem Chaßidismus die eigentliche Geburtshülfe geleistet, indem er alles Bestehende niederriß, die Aufhebung der ihm gegnerisch gesinnten Vierländersynode, des letzten Restes der jüdischen Autonomie, in Polen durchsetzte, den Autoritätsglauben so radikal als nur möglich zerstörte, ohne im Stande zu sein, das Unentbehrliche durch irgend etwas Positives zu ersetzen. Zwar äußert er sich über die Chaßidim an einer Stelle: Ich habe gehört, daß sich in Polen eine Vereinigung gebildet hat von Frommen, die den größten Theil des Tages im Gebet zubringen, und fügt in seiner liebenswürdigen Manier hinzu: Wenn es in meiner Macht sein wird, werde ich ihnen die Schenkel mit eisernen Dreschwalzen zerbrechen. Andrerseits nahm er mit Befriedigung die Nachricht entgegen, daß es einem jungen Manne, R. Israel, der kein anderer war, als der Balschem, in einer von der polnischen Regierung angeordneten Dissertation mit dem Scheusal Frank, den Letzteren zu besiegen und trotz seiner spiritistischen Kunststücke unschädlich zu machen, gelungen sei.
R. Jacob Emden war im Grunde genommen eines der Opfer der 1648er Katastrophe. Sein Vater war der Sohn eines jungen Wilnaer Rabbiners, der von den Kosaken gefangen genommen, von diesen vor Augenzeugen getödtet worden war. Der Hetman, der den schönen Jüngling tödten sollte, empfand jedoch Mitleid mit ihm und versetzte ihm nur einen Hieb mit der flachen Klinge, daß er zwischen den Todten liegen blieb. Die Flüchtigen konnten diesen außergewöhnlichen Fall nicht wahrnehmen und bestätigten vor dem Krakauer Rabbiner, dem berühmten R. R. Heschel, als Zeugen seinen Tod, worauf derselbe seiner Frau das Eingehen einer neuen Ehe erlaubte. Diese weigerte sich jedoch hartnäckig, die Erlaubniß anzunehmen, da sie überzeugt sei, daß ihr Mann noch lebe. Als derselbe nach vielen Schicksalsprüfungen wirklich in Krakau eintraf, erließ der R. R. Heschel eine Kundmachung, daß fortan keirre Zeugenschaft für die Opfer der Kosakenzüge mehr angenommen werden dürfe, weil Selbsttäuschungen (HV112) erwiesen wären. Aus der Wiedervereinigung der treuen Gattin mit ihrem todtgesagten Gemahl entsproß der Chacham Z'wi, einer der größten Gelehrten und makel-