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oder sich vielmehr von ihr führen ließ. Er war in der Lösung ebensowenig vom Glücke begünstigt, wie der traditionell angebliche Urahne seiner Familie, der erste König in Israel, Saul, der sich versteckte, als er zur Herrschaft berufen wurde. Als er dann zur Uebernahme gezwungen war, heißt es von ihm in einem Lobspruche, der die Form eines Tadels angenommen hat, (Sam. 1, 14, 47): „Wohin er sich wendete (sc. gegen die Feinde), stiftete er Unheil." Ebenso finden wir bei ihm, bei der strengsten Religiosität, die das Leben des eigenen, siegreichen Lohnes Jonathan nicht schonen mochte, der, ohne es zu wissen, seinen Bann übertreten und während der Schlacht etwas Honig zu sich genommen hatte, eine Hilflosigkeit in der Meisterung seiner Gefühle, die ihm Schonung eingab, wo ihm Härte anbefohlen (gegen Amalek), und Grausamkeit (gegen die Priester und gegen David). wo für sein besseres Verständniß Schonung geboten war. Der unwiderstehliche Reiz der Herrschaft, der ursprünglich Verschmähten und Gefürchteten, siegte mit elementarer Gewalt über die Disziplin. —- Auch das Rabbinat konnte als förmliche Herrschaft gelten, wo Männer von geistiger Ueberlegenheit, blendendem Scharfsinn, heiligem Lebenswandel, imponirender, oft überwältigender äußerer Erscheinung als Megin (Schutzengel) der Gemeinde und Wunderthäter
durch Gebet und Amulette mit dem glühendsten Enthusiasmus von zahlreichen Schülern und frommem Volke verehrt und ungleich höher gehalten wurden, als die unzähligen Duodezfürsten der Zeit.
Als R. Eleasar aus Brody zu jener Zeit nach Amsterdam geholt wurde, und das Volk, von dem Glanze seines Antlitzes entzückt, die Pferde ausspannte und seinen Wagen zog, die Gemeinde Münzen mit seinem Bilde prägen ließ, versuchte Jaabez umsonst die gesetzliche Unzulässigkeit der letzteren Auszeichnung zu beweisen.
Der Geist des Widerspruches, den er sich in der von ihm selbst geschmähten Kunst des Pilpul angeeignet hatte, die damals übliche Methode, sich in Alles zersetzender Kritik selbst zu übertreffen, nöthigenfalls zu desavouiren und jede Behauptung, wenn sie von gegnerischer Seite vorqebracht war, auf den Kopf zu stellen, äußerte sich gegenüber seinem Rivalen, dem altehrwürdigen R. Jecheskel Katzenelnbogen aus Wilna, auf drastische Weise. Eine reiche Altonaer Wittwe hatte einen alten Schwager, der fast verschollen war, von dem man jedoch wußte, daß er in Rom getauft und in ein Kloster gegangen war. Nach einer alten Entscheidung der Geonim brauchte sie von einem solchen die Lösung der Levirathsehe durch Chaliza nicht abzuwarten und durfte mit Einverständniß der Rabbinatsbebörde heirathen. Spätere Autoritäten acceptirten diese Entscheidung nicht, aber im vorliegenden Falle traten annehmbare Beweise für seinen bereits erfolgten Tod dazu. Eine Vergleichung der einzelnen Fälle behufs Entscheidung über den vorliegenden Fall forderte die Casuistik in ihrer ganzen Endlosigkeit heraus. Um sich gegen alle Eventualitäten zu decken, und da die Fragestellerin die Sache im Geheimen gehalten hatte, richteten Schüler des Rabbiners der drei Gemeinden eine unverfängliche Frage an Jaabez, rein juridisch, ohne praktischen Hintergrund, wie er über die Anwendung der Entscheidung der Gaonim in einem solchen Falle denken würde. Die Antwort lautete zustimmend, und daraufhin erfolgte dann die Publikation der Heirathserlaubniß. Sofort, als die- selbe als konkreter Fall bekannt wurde, erfolgte in dem Chaiusa dekitri (siehe Scheilat Jaabez) eine ebenso heftige als umfangreiche Bekämpfung dieses Urtheils, in welcher alle früheren Gutachten in das Gegentheil verkehrt wurden, die Zugehörigkeit des alten Apostaten zum Judenthum, entgegen der früheren Ansicht, begründet wurde durch den Spruch: „obwohl er gesündigt hat, ist er doch