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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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noch als Jude zu betrachten," woraus sich dann eine unversöhnliche Fehde ent­wickelte. Im Kampfe gegen R. Jonathan Eibenschütz, wie gegen andere hervor­ragende Kabbalisten kam dann die unerträgliche Ketzerriecherei. Während Jaabez den allgemein verhaßten Asarja de Rossi, Verfasser des Meor Enajim, Augenlicht", (dem man den Spottnamen derBlinde" beigelegt hatte, weil der Euphemismushellsehend" 11N5 im Talmud für den Blinden gebraucht wird), durch den Ausspruch zu rehabilitiren versuchte:Du sollst den Edomiter nicht verabscheuen" er hieß Asarja der Edomite (Römer) der als Erz­ketzer von Jaabez' Urahn, dem hohen Rabbi Löw von Prag, in den Bann gethan worden, war der Frömmste jeder Verdächtigung preisgegeben. Und doch lautete das allgemeine Urtheil auch der Freidenker dahin, daß De Rossi aus dem Arsenal mittelalterlichen Freidenkerthums vergiftete Pfeile wie im Scherze gegen das Judenthum geschleudert hatte, himmplstürmende Fragen, die in so läppische und alberne Antworten und Lösungen eingehüllt waren, daß auch der Gut- müthigste die absichtliche Haltlosigkeit derselben herausfühlen mußte. Mit seinem Zeitgenossen, der ebenfalls aus Furcht vor dem Bannstrahl und der noch immer machtvollen Hand der rabbinischen Gerichtsbarkeit, dieselbe Taktik befolgte, mit Mendelssohn, unterhielt Jaabez freundschaftliche Korrespondenz. Auch dieser hat in seinemPhaedon, über die Unsterblichkeit der Seele" diese Grund­lage aller Religion, nmit Beweisen belegt, die dem größten Schwachkopfe die An­nahme des Gegentheils zur Nothwendigkeit zu machen geeignet waren. Er hatte in seinenMorgenstunden" die altübliche scholastische Beweisführung von der Existenz der Gottheit auf einen Wahrscheinlichkeitsbeweis zurückgeführt, der dem Wahnsinn des Atheismus und der von Frankreich einbrechenden Syphilis der Skepsis Thür und Thor öffnete. Er hatte in seinemJerusalem" die Offen­barung in einer scholastischen Verdünnung derart plausibel zu machen versucht, daß von der unaufhörlich forttönenden Gottesstimme am Sinai für das Erew Raw (Mischvolk) nichts übrig blieb, als leerer Schall. Er hatte das

Fundament der jüdischen Religion, mit welchem der Jude in den Tod ging, die 13 Glaubensartikel (.Ast), die Maimonides nur

kodisizirt, keineswegs neu erfunden hat, durch Berufung auf die fadenscheinige Pseudoautorität des als Philosoph wie als Talmudist gleich unbedeutenden Albo, aus der Verfallszeit der spanischen Schule vor der Vertreibung, zer­trümmert. Dem großen Ketzerriecher versagte diesem gegenüber der Geruchssinn vollständig.

Es konnte nicht anders kommen. Der Richter war ein Produkt seiner Zeit, seiner Generation. Im Rathe der Vorsehung war der Anbruch einer neuen Aera beschlossen, welche die Fesseln der Knechtschaft des Mittelalters für die Menschheit im Allgemeinen und für die Judenheit insbesondere sprengen sollte, ein Feuerstrom, der Leben, aber auch strafende Vernichtung brachte. Aber während in Paris, der ältesten Zwingburg des Mittelalters, die DeviseFreiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" von blutdürstigen Hyänen, angeführt von Dämonen in Menschen­gestalt, verkündet wurde, waren an der Sprengung der Ghettomauern die destruktiven Kräfte thätig, welche der Materialismus, die Ueppigkeit, die geheime Sektirerei mit ihrer perversen Sündhaftigkeit und die Assimilationssucht gezeitigt

hatten.

Es kann heute, wo die Beschäftigung mit der heiligen Schrift leider ver­nachlässigt wird, nur von Nutzen sein, wenn wir uns die Schilderung des Propheten Ezechiel vorführen, die er von den Hirten entwirft, die ihrer Auf­gabe nicht gerecht zu werden wissen. Da heißt es (31, 4):Die Schwachen habt