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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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des Jchs eine durchaus analytische und seine Erkenntnis; eine in Wirklichkeit nega­tive. Dies erklärt sich aus dem Umstande, daß das subjektive Ich mit de n objektiven Punkte in der Mathematik identisch ist, oder das; vielmehr dasjenige, was wir in der scheinbar so exakten Wissenschaft der Mathematik als deren Grundlage den Punkt nennen, nichts andres ist als eine Reproduktion des Jchs. Wir erkennen nämlich Körper ebenso wie das Thier, dem wir jedoch durch die Thätigkeit über­legen sind, jene ihrer konkreten Form zu entkleiden und in dein Körper den Begriss der Ausdehnung in Länge, Breite und Tiefe (Höhe) zu entdecken. In Folge der zersetzenden, analytischen Eigenschaft des menschlichen Verstandes sind wir bestrebt, diese Begriffe zu zerlegen und den Begriff der Fläche zu bilden, welche nur zwei Ausdehnungen, die der Länge und Breite, hat, obwohl wir keine wirkliche Fläche konstrüiren können, da der dünnste Körper noch immer eine meßbare Höhe hat. Wir bleiben dabei nicht stehen und konstrüiren die alles beherrschende Linie, die bloß Länge besitzen soll, die jedoch, wenn wir wirklich so materialistisch veranlagt wären, wie die Söhne der alten Kannibalen es behaupten, gar nicht gedacht werden könnte, da der dünnste Faden unter dem Mikroskope eine Balkendicke aufweist. Wir bleiben auch dabei nicht stehen, sondern konstrüiren den Punkt, aus dem sich die Linie entwickelt, der keine der drei Dimensionen mehr ausweist, ohne daß es körperlich ein solches Ding giebt, denn auch der Punkt wird unter dem Mikroskop zu einem vollständigen Körper in drei Dimensionen.

Woher rühren diese so unmathematischeu, optischen Täuschungen in der Mathematik? Graetz berichtet mit kindisch-greisenhaft witzelnden: Lächeln, dag sich die Kabbala bei ihrem ersten Auftreten in der Schule der Kalonymiden von Navarra die -Wissenschaft des Ich" i)XN NV2N (EbocbmM Ila-Nni) genannt hat, während die französischen Kalonymiden von den HXN DQP (sinke Iw-Nm), den Tiefen des Nichts, zu sprechen beliebten (Rokeach). Wie uns die Kabbalisten lehren, sind nämlich Nm und NW H)x und Hx) identische Begriffe, die sich,

wie wir heute sagen würden, zu einander Verhalten, wie die Pole eines Magneten, der negative und positive Pol. Das Ich bildet den untersten negativen, das Nichtich den obersten positiven Pol der Erkenntnißlinie. Der obere Pol weist trotz aller- unausgesetzten Schwankungen immer nach Norden (H22) und so der Pol des Geistes

ebenso immer nach demVerborgenen", Unfassbaren. Unser Innerstes empfindet jede Vorstellung wie eine störende Wolke an den: reinen Firmament des Unend­lichen. Daraus entsteht das Bestreben der Abstraktion, des NIVL'DNN

(lllisvascktuZ ba§a8cblniju8), Abstreifung des Körperlichen. Darum lösen wir alle Formen auf und gelangen durch den Punkt an die Schwelle des- HX (NW), des Nichts. Diese psychophysische Schwelle ist aber identisch mit demIch", in welchem wir unsre eigene Individualität völlig losgelöst von unserem körperlichen Organen uns ebenso frei von allen Formen vorstellen, wie dasNichtich", das HX (NW). Wie aber bei dem kleinsten magnetischen Moleküle sowohl wie bei

dem großen Magneten, den wir Erdkörper nennen, beide Pole durch einen neutralen Aequator getrennt sind, einen Kern, der weder positiv noch negativ ist, so giebt es auch einen Kern der Seele, dem beide Erkenntnißpole, das Ich und das Nichtich, nur Flügel sind, der über Beiden steht und daher beide als bloße Erkcnntnißorgaue begreift und kontrolirt. Das nennt der Eingangs citirte Zeit- und Geistes-Genosse des Balschemtow, der Jerusalemer Rabbiner N. Chain: ben Atar: 1V2P X?11V2P 711PN2Wenn man denkt durch die Beobachtung desJch

und Nichtich Beherrschenden". Diese Selbstanschauung war nach der,, Ueberliefernng" die Aufgabe der Prophetenschule, um alle von Oben kommenden Vorstellungen und Erscheinungen augenblicklich, ohne dieselben das Transzendentale verdunkeln zu