Druckschrift 
Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
Entstehung
Seite
92
Einzelbild herunterladen

92

Bevor die Berge geboren wurden und die Erde und ihre Oberfläche kreisle" ist das nicht göttliche Geologie?Und von Welt zu Welt bist Du die­selbe Zuflucht geblieben." Nachdem er nun die Volksseele mitsammt ihren In­dividuen an ihren Ursprung angeschlossen hat, kommt Mose auf den Kreislauf der Seelen zu sprechen und sagt:Du läßt den Staubgeborenen bis auf die niedrigste Stufe nieder und sprichst: Schwingt Euch wieder auf, Söhne Adam's."

^clam ist der Jdealmensch der göttlichen Schöpfung, Uno8eb der Mensch in seiner Erbärmlichkeit und Degeneration, der zur Rückkehr zur Vollkommenheit gezwungen werden soll, und wenn auch Jahrtausende darüber vergehen.

Mosel eröffnet einen Einblick in die Weltleitung, gegen deren Rätbfel sich das Volk zu Ezechiel's Zeit (cap. 18) mit dein Worte aufgelehnt bat:Die Väter aßen saure Trauben, und den Söhnen werden die Zähne stumpf davon." Mose hat die hundertste Generation für die Vergehen» der ersten in der Wüste verantwortlich gemacht und schließt bei der letzten Versammlung vor seinem Tode den Bund mit allen anwesenden Individuen der GegeMvart und denen der fernsten Zukunft. Denn das einzelne Individuum ist nichts als ein Tropfen im Kreisläufe der Volksseele. Diese hat ibren Ursprung im Unendlichen. Unfaßbaren, über alle Begriffe von Zeit und Raum Erhabenen. ..Denn tausend Jahre sind in Deinen Augen, wie der gestrige Tag, der dabinqeschwunden." Nein, weit weniaer noch, denn der gestriac Tag besteht in der Erinnerung als Zeitschema, kann also in kein kommensurables Verhüt niß zum Unendlichen gebracht werden; deshalb wählt Mose das Gleichnliß der ^cbinurab der Nacht, der ersten drei Stünden des tiefsten Schlafes, in welchem der Zeitbegnff völlia selbst aus der menschlichen Vorstellung schwindet. Damit ist aber Moie selbst, von dem es heißt: 1? 8NU, dessen Gedanken immer im Urbeginne alles Seins

schwebten, von der höchsten §mhe bei der tiefsten Tiefe bei der Ntzcht-

ieite dm Schöpfung bei der Nacht des Golüs anaelangt. Vor seinem Blicke ent­faltet sich der trübe, endlose Strom des ägyptischen Kulturlebens mit seiner grilligen Finstermiß. in welcher sein Volk gefangen gehalten wird. Und da tritt 'Mole mit der Macht des Gebetes, wie sein Mnherr Abraham, als richtender Be- rnther des konstitutionellen Weltberrn bin. Wir finden hier die merkwürdiae Er­scheinung wieder, die uns im 4. Buch Moses 10, 36 und 36 mitgetheilt wird, die wobl dazu geeignet ist. den Leier der Tbora ans seiner Gedankenlosigkeit aufzu­rütteln: ..Und wenn die Bnndeslade sich in Bewegung setzte, da sprach Mose: Erhebe Dich. Emmer, daß Deine Feinde sich zerstreuen und Deine Nasser fliehen vor Deinem Antlitze! Und wenn geruht wurde, svrach er: Ruhe. Ewiaer, beiden Mallen der Tausende Israels!" Dieses finden wir hier im Gebete Mose's wörtlich wieder in den Worten: Np 'N N2126 aber auch das tlvlsd wenn

auch in verhüllter Form.

Die tiefsten, bildermeichllen und am weitläufigsten behandelten Kapitel der Kabbala werden bier wie der Ozean auf schnellem Schiffe, mit einem einzigen Verse durchfurcht. Mit einem einzigen Worcke könnte Man sagen, wenn man die rmentbümliche Formel der uralten, kein zweites Mal mehr vorkommenden Wort­bildung llNV-p in ihrer vollen Bedeutung erkennt. Man muß dazu das ganze Gesichtsfeld der dem Judenthnm eiaentbümlichen Anschauung von der göttlichen Vorsehung. Weltleitnng und dem Verhältnisse des Srbävfers zur Schövfung in seiner vollen Ausdehnung überschauen. Dieselbe bildet das eigent­liche^ Thema der Kabbala und des Cbaßidismus. Vei der erfteren in eiaentbümlichen Produkten der geizigen Kunst, welche der letztere in philosophische Begriffe umzusehen bemüht ist, ohne die bildnerische