97
Solche Männer hat die Vorsehung immer nach dm großen Katastrophen gesandt, welche die jüdische Nation betroffen haben, an denen jede andere zu Grunde gegangen wäre. So war es in Babylon, als die Trümmer des Volkes, aus dem verwüsteten, klemm Ländchen in die gigantische, heidnische Kulturstätte des Welteroberers Nebukadnezar versetzt, in Gefahr warm, ihre höchsten Ideale einzubüßen. Da trat der Prophet Ezechiel auf, ihnen die göttliche Allgegenwart zu zeigen. Nach dm furchtbaren Opfern der Befreiungskriege gegm Titus, Trajan und Hadrian war es R. Simon ben Jochai, nach dm schauderhaften Mordbrennereien der Kreuzzüge war es R. Juda Hachassid und der Sohar, die die unbesiegbare innere Lebenskraft der Nation wiederherstellten. Nach dm vernichtenden Vertreibung aus Spanien war es der Ari, dessen Licht wie blendender Blitz die tiefe Nacht des Golus erhellte, und nach der furchtbarm Katastrophe von N"N (1648 war es der Balschemtow, der dem zerschmetterten Organismus neues Leben einslößte und ihm nme Waffen gegen einen völlig neuen Zeitgeist in die Hand gab.
R. Israel Balschemtow hatte unter feinen Schülern und Anhängern eine große Zahl auserlesener Männer. Man nannte sie 8cIÜ8clüin ^ibdoriin, 60 Helden, „die das Lager Salomo's umstanden" (Hoheslied). Es waren solche, die den ganzen Kreis der jüdischen Wissenschaft beherrschten, wie der Rabbiner von Polmoje, B. Jakob Josef Kosten, dessen Werk Toläot ein ganz außergewöhnliches Talent bezeugt. Wmnl er seinen Nachfolger in der Person des R. Dowbm erwählte, der nur zwei Jahre ältm war, als m selbst, und ihn mit der Führung dm neuen Organisation betraute, so war dabei weniger die außerordentliche Gelehrsamkeit dieses Kollegen des Frankfurter Rabbiners U'ne jo8edug, ausschlaggebend, als vielmehr die Abstammung dieses Mannes, der seinen Stammbaum auf den letzten dm Gaonim, R. Hai, und somit direkt auf das davidische Königshaus zurückführte. Der Balschem, dm einzige Mann seiner^ Generation, dm mit vollendetem Sehmauge die historische Wichtigkeit feiner Epoche als neuen Wendepunkt für die auf dm tiefsten Stufe dm Erniedrigung angelangte Judenheit zu neuem ungeahnten Aufschwungs mkannte, hatte weitausgreifende Pläne. Er schuf eine Organisation, die mit der bei keinem zweiten Volke des Erdenrundes nachweisbaren, höchst eigenthümlichen Autonomie der. Epoche der Richter eine merkwürdige Aehnlichkeit hat. Eine Art demokratischer Hierarchie, aus welcher sich hinter dem Rücken äußmer und mumm Feinde eine Art erblichen Exilarchates entwickelte, wie es seit dem Untergänge des babylonischen (um 1028) die Diaspora nicht mehr gesehen hat.
Er batte auch hierin einen Vorgänger in dem nicht minder geheimnißvollen Rabbiner Naftali Cohen-Zedek, von dem dm Danzigm Rabbinm R. Israel Lipschütz (Titerel Imael, Mischnahkommentar) erzählte, daß er als Rabbinm von Posen mit einem Achtmgespann in silbmbeschlagenm Karosse Spazierfahrten auf's Land unternahm. Die Legende berichtet, daß ein polnischer Adliger diese Anmaßung eines Juden mit dem Tode bestrafen wollte und die Bauern des Dorfes auf dm Landstraße mit ihren Sensen aufstellte, um den Spazimfahrm zu tödten. Als diesen sein Diener auf die angesammelte Menge aufmerksam machte, hieß er ruhig weiter fahren. Sein Anblick imponirte dm Bauern so sehr, daß es Keiner wagte, die Hand gegen ihn aufzuheben. Ein polnischer Name, dm die Stelle wegen dieser Begebenheit erhaltm haben soll, war dem des Polnischen unkundiaen Erzähler nicht mehr im Gedächtnisse. Derselbe R. Naftali war früher ms O^roa vertrieben worden, weil die Gemeinde seinen Anforderungen an fürstliche Führung weder Nachkommen konnte noch wollte. R. Israel hat sich für