— 101 —
er sich einen brennenden Fleischklumpen von der Brust und schleuderte ihn der entmenschten Gräfin so pünktlich in die Fratze, daß sie ohmnächtig hinstürzte. Derartige Autodafes., die auch R. Jonathan Eibeschütz in seinen Vorträgen den deutschen Zeitgenossen zur Kenntniß bringt, gab es an allen Ecken und Enden. Man kann sich keinen größeren Kontrast vorstellen, als den zwischen Ost und West. Hier ringt man im Feuer mit dem Tode für den Glauben. Dort brennt das Feuer der Verleumdung, des Parteihasses, des neidischen Gezänkes, der Bannflüche.
Es sind die Geburtswehen einer neuen Epoche. R. ChaimbenAtar hat dieselbe vorausgesagt. In ?. Oincbas bei der Volkszählung, speziell der der Stammes Inda, stellt er nach Art der Alteil Berechnungen an über das Ende des Golus und die Erlösung. Er ist in dieser Beziehung um so merkwürdiger, als er schon in ?. Lalall auf den Vers: „Es schießt ein Stern von Jakob und es erhebt sich ein Stamm voir Israel" die Theorie aufstellt, daß die Erlösung nicht bloß, wie der allgemeine Glaube annimmt, auf dem Wege wunderbarer Katastrophen, sondern auch, wenn die Buße ungenügend ist, auf natürlichem Wege durch nationale Erhebung wie bei Cyrus eintreten kann. Denselben Weg der schrittweisen Evolution sieht er in ?. kllncbag voraus rind verkündet für das Jahr 5500 — 1710 den Anbruch der Morgenröthe einer neuen Zeit und den Durchbruch der funkelnden Strahlen des anbrechenden Tageslichtes der Erlösung.
Einen noch merkwürdigeren Vorausblick finden wir, wo es am wenigsten zu erwarten steht, bei N. Jakob Emden, der sich zwar einer ererbten prophetischen Veranlagung rühmt, die jedoch nur in lichten Augenblicken einmal zum Durchbruch kommt.
So sagt er in seinem Dorat Menaot (wörtlich „Zelotenlehre") am Ende, wo er die messianischen Träumereien seines Zeitalters geißelt, wörtlich: „Es ist ja jetzt um so weniger daran zu denken, als aus dem Sohar nachgewiesen werden kann, daß die Erlösung vor dem Jahre 1848 (5608) nicht zu erwarten ist." Wo er im Sohar gerade das Jahr 1848 aufgefischt Hat, ist unerfindlich. Es giebt zwar in diesem Buche der Prophetenweisheit eine höchst merkwürdige Prophezeiung in ?. IVajera, welche besagt, daß mit Anbruch des sechsten Jahrtausends unserer Zeitrechnung eine neue Aera zu gewärtigen sei, derart, daß alle sechszig Jahre die Wissenschaft einen sprunghasten Aufschwung nehmen wird, welcher seinen Höhepunkt im Jahre 6600 d. i. 1840 erreichen wird. Von ihm wird es mit Anwendung des Bibelverses heißen: „Und es war im Jahre 600 (Noah's), da brachen die Quellen des tiefen, Abgrundes hervor und es öffneten sich die Schleusen des Himmels." Darunter seien, sagt der Sohar, die. Quellen der Wissenschaft auf Erden und im Himmel zu verstehen. Eine um so interessantere Prophezeiung, als sie buchstäblich in Erfüllung gegangen ist und keinerlei Anhaltspunkte vorhanden waren, um sie zu ahnen.
Aber vom Jahre 1848 findet sich kein Sterbenswörtchen. Das Jahr der großen Katastrophe 1648 findet sich zwar als von R. Eleasar ben Arach für das Ende in's Auge gefaßt, aber seine Kollegen sagen ihm an Ort und Stelle, daß ihn sein Blick getäuscht habe. Einem Aufklärer, welcher in dieser Stelle nur ein vaticinünn ex eveniu, als nachträgliche Interpolation erblicken wollte, wurde dieselbe Stelle in dem bereits 1554 gedruckten Sohar, eä. Cremona, uachgewiesen. Aber, während alle alten Kabbalisten bei ihren Berechnungen selten über das ihnen Nächstliegende Jahrhundert hinauskamen, dieselben auch darauf gerichtet waren, der Verzweiflung, die sich der Gemüther unter den Würgerhänden des unerbittlichen Todfeindes bemächtigt hatte, durch den Hoff-