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Erst als, wie R. Chaim ben Atar zu 4. B. M. 12,16 bemerkt, mit dem Verfall des nationalen Organismus die Ausnahmsfähigkeit der Prophetenschüler immer schwächer wurde, tvurden die Prophetenschulen geschlossen. Die betreffende Stelle dieser Bibel des Chaßidismius verdient wörtlich zitirt zu werden. Es heißt a. a. O. Vers 6: „In einer Erscheinung gebe Ich Mich ihm zu erkennen, im Traume rede Ich in ihm." Dazu bemerkt Or lluetmjim: Es giebt zweierlei Modi des prophetischen Traumgesichtes. Erstens den, bei welchem das Bewußtsein getrübt ist und das geistige Ohr die Begriffe nicht deutlich fassen läßt. Zweitens den, daß die Vorstellungen selbst nicht klar sind, sondern als Gleichniß und Phantasiebild kommen, ähnlich wie die Träume, die Josef auslegen mußte. So geriethen manche Propheten durch die Offenbarung in Ekstase, wie Jemand, der sich auf stürmischem Meere bewegt; auch kam ihnen die Mittheilung nicht/ in deutlicher Sprache, sondern in Verkleidung durch Gleichniß und"Vorstellung, damit sie den gewaltigen Eindruck einigermaßen ertragen könnten. Aber es war kein Traum im gewöhnlichen Sinne des Wortes, sondern ein visionärer Traum im wachenden Zustande, per häufig ein Aufhören des äußeren körperlichen Bewußtseins mit sich brachte. Das Alles war bei Mose ausgeschlossen, der mit vollsten! Bewußtsein .die Prophetie empfing, auch kamen die Worte nicht in Gleichniß und Bild, sondern in vollster Deutlichkeit, die nicht erst Auslegungen erforderte. Darum heißt es: „Von Mund zu Mund rede Ich in ihm", indem ganz Israel die 63 Abschnitte der Thora wahrnimmt, die der Ewige zu Mose gesprochen, die Jedermann versteht,, der überhaupt des Hebräischen mächtig ist. Auch die Schätze der Weisheit, die darin aufgehäuft sind, liegen klar vor den Augen des Verständigen, der mit Nachdenken uns tiefer Betrachtung die beabsichtigte Tendenz darin findet. Dem ist schon nicht so bei seinen Dienern, den Propheten Jesaia und Jercmia, wie die Gleichnisse, der große Adler mit seinen Schwingen u. s. w. Noch stärker tritt dies auf bei Secharja, der die Thore der Prophetie beschließt. Der hat auch seine eigenen Offenbarungen derart verschlossen, daß Niemand den Sinn derselben verstehen kann. Man darf also fragen: Da die Offenbarung von dem Alleinzigen kömmt, warum spricht Er zu dem Einen klar, zu dm: Anderen gewunden? Darauf antwortet die Kabbala mit dem Hinweis aus den furchtbaren Eindruck, welchen die Erscheinung des Engels auf Daniel machte, daß die Berührung des Seelischen auf das Körperliche einen zerstörenden Einfluß übt und das Letztere vernichten würde, ivenn nicht ein Mittelding geschaffen wäre, um Seele und Körper zu verbinden, wie dies auch bei gegensätzlichen Elementen der Fall ist, damit der Mensch vor der göttlichen Mittheilung, dem Urquell des Geistigen, das Feuerströme in sich führt,, bestehen könne. Das , kann aber nur der Mensch, der das Materialistische vollständig in Ideales umgewandelt hat, dessen Körper derart veredelt ist, daß er die majestätische Rede ertragen kann. Bei einem Menschen, der diesen Grad der Harmonie zwischen Seele und Körper noch nicht erreicht hat, muß die Offenbarung sich gleichsam in eine Stufenreihe feiner Vermittlungsatmosphären einhüllen, bis sie an das Ohr des Propheten gelangt, damit er sie ertragen kann, und auch dann noch, bewirkt sie bei Manchen einen Eindruck, der Störungen des geistigen Organismus hervorruft und veranlaßt, daß Gleichnisse und Vorstellungen entstehen. Deshalb bedienten sich alle Propheten, a-ßer Mose, der Gleichnisse und Allegorien. Am meisten jedoch Secharja, der Letzte in der Reihenfolge, zu welchem die Rede verhüllter und vermummter gelangen mußte, als zu den Früheren, damit er sie ertragen konnte. Deshalb sind bei ihm die Allegorien und dunklen Bilder so zahlreich, daß die Späteren keine Erklärung dafür finden." — Was jener große Lehrer in der Theorie und« Schrift entwickelt hat, das hat der große Schüler des