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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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Salomo die Naturwissenschaft aus der Thora geschöpft hat, so ist gerade das Gegentheil richtig. Er hat die Natur beobachtet und hat auf Schritt und Tritt die Thora in ihr wiedergesunden. Eine derartige Sentenz sucht man im ganzen Jdeenkreise des Gaon vergeblich.

Nicht besser ist es ihm mit der Astronomie ergangen. In seinem Kom­mentar zu Leier femrn, der wiederum für sein ungewöhnliches Gedächtniß zeugt, ohne daß man eine an das wunderbar tiefe Niveau psychologischer Er­klärung des R. Ber hinanreichende Erläuterung findet, wozu doch der wunderbar herrliche Kommentar des R. Josef bar Kalonymos, dessen Autorschaft ich nach­gewiesen, wahrlich Gelegenheit genug bietet, der, der modernen Wissenschaft um fünf Jahrhunderte vorauseilend, das Chiasma des Augennerven zeichnet und anatomische Geheimnisse entdeckt, die erst der neuesten Wissenschaft zu Gute kommen spricht der Gaon Abschn. 10,1 von dem N'Ii. Was unsere Weisen darunter verstanden haben, erklärt R. Avigdor in einer aller Wahrscheinlichkeit nach den Schriften des R. Abraham Abulafia entnommenen Abhandlung. Ins Wissenschaftlrche übersetzt, versteht man darunter die von Humbold im Kosmos besprochene Himmelsaxe, welche die Plejaden durchschneidet und um welche sich, einem Rückgrat gleich, das ganze Sonnensystem bewegt. Obwohl der Gaon sich darüber keinen klaren Begriff gemacht zu haben scheint, stellt er die Behauptung auf, daß nicht nur das kopernikanischc, das er nicht erwähnt, sondern auch das alte ptolemäische Himmelssystem, insofern es den in der Agada geäußerten Himmelssenstern u. f. w. widerspricht, diesen Widerspruch nur dem Jrrthum zu verdanken habe, daß den Astronomen der Charakter des N'li unbekannt war. Nun ist das geradezu eitel Spiegelfechterei. Denn abgesehen davon, daß der Sohar klar und deutlich selbst das ptolemäische System zu Gunsten des bei ihm zuerst ausgesprochenen kopernikanischen als unwissenschaftlich erklärt, abgesehen davon, daß R. Simeon ben Jochai im Talmud selbst alle zeitgenössischen Ansichten über die Astronomie als vergebliche Versuche dilettantischer Erklärungen bezeichnet, kann man doch alle alten und neuen Astronomen, Maimonides inbegriffen, denen die alten jüdischen Weisen den Vorrang eingeräumt haben, nicht mit einer einzigen Phrase abthun. Die Mischnalehrer haben nämlich in dem Streite mit den Alexandrinern, welche behaupteten, daß die Sterne unbeweglich von beweglichen Sphären gedreht werden, aus Mangel an Gegenbeweisen ihre alte Ueberlieferung, daß sich die Sterne bewegen, aufgegeben, wie Tycho Brahe zum Mahral gesagt hat, sehr mit Unrecht. Nun sagen unsere Weisen im Talmud: Wer den Gang der Himmelskörper klarlegen kann und es nicht thut, von dem gilt das Wort des Propheten:Und auf die Schöpfung des Ewigen schauen sie nicht und Sein Händewerk blicken sie nicht an." Wenn also der Gaon die Macht besessen hätte, die alte und neue Astronomie zu Gunsten der Agada all absurckurn zu führen, so wären ihm alle seine 70 Schriften und zahllosen Vicki's zu erlassen für ein einziges unsterbliches astronomisch-talmudisches Werk.

Wie ganz anders bespricht der unsterbliche Mose Chaim Luzzato dieses Thema! Mit welch wunderbarer Tiefe giebt er nach Art des 50 Jahre nach ihm auftretendcn deutschen Philosophen Kant zu verstehen, daß es außer den Kategorien, in denen wir die Welt anzuschauen gezwungen sind, noch ganz andere geben kann, in welchen der Bewohner einer anderen Welt, ein Engel oder auch der Prophet, die Dinge um sich anschaut, und mit welcher Feinheit ist er bemüht, den Leser über die Mauern seiner Kategorien hinaufzuheben, um ihn einen flüchtigen Blick hinüber werfen zu lassen! Aber er läßt dabei den Astronomen ihre Ruhe, er bezichtigt sie keines Jrrthums. Die Stelle findet sich im Ncllr banmrom. Aber auch im Llacll streift er die verschiedenen Systeme der Vision