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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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vom kabbalistischen Standpunkte ans und sagt:Die Vision läßt sich nicht wissen- . / schaftlich- festlegcn, sie wechselt mit den Reflexen der 'Sphäre der Kategorien (kckalcbut). Daher kommt es, daß wir die Erde einmal im Mittelpunkte des Makrokosmos, ein andermal wiederum in ihrer Stellung an der äußersten Ferse desselben wahrnehmen." Ich weiß nicht, ob dem Gaon die in Wilna deponirten Schriften des N. Mose Chaim Luzzato zu Gesicht gekommen sind. Einer seiner Schüler, Mendel Chaslawitzer, Verfasser des iVlasim ackirim, hat Sentenzen des Gaon mit Sentenzen aus dem Llacb zu einem Potpourri ohne jedes tiefere Verständniß verarbeitet.

Aehnlich verhält es sich mit seiner Stellung zu Maimonides. Es ist bekannt, was er über die Ansicht desselben, daß die ganze Magie sammt dem Spiritismus, wie wir heute sagen würden, nichts als Schwindel und Betrug sei, zum Schulchan Aruch (siore Oea, Lilcbot Neonen umclmSLbet 179,13) und zur entsprechenden Mischnah Abodah Sarah IV geschrieben hat:Aber die Späteren haben ihn schon auf den Schädel gehauen, und (zur Mischnah) alle Späteren widersprechen seiner Ansicht. Ihn hat die verfluchte Philosophie verleitet, den Talmud auf witzige Weise auszulegen und den Sinn zu entstellen;

G. behüte mich, daran zu glauben, ihnen und ihrem Geschrei, da doch alles nach dem einfachen Sinne zu nehmen ist; doch ist ein tieferer Sinn darin, aber nicht der der Philosophie, die auf den Mist gehört, sondern der der wahren Weisheit."

Nun hat schon R. Hirsch Katzenellenbogen, ein Mitglied des napoleonischeu Synhedrin (1806), versucht, diese Worte zu dementiren und sie als Interpolation eines unberüfenen L>chülers darzustellen. Der Versuch ist aber mißglückt, da S. D. Lurja, Wilna, einer der eifrigsten Anhänger des Gaon, die handschriftliche Echtheit aus Zuckermann's Bibliothek festgestellt hat. Andererseits wird be­richtet, daß er dem Rabbiner Treitel, der ihm mit großem Lärm die Nachricht überbrachte, er habe im Bethhamidrasch eine Gesellschaft angetroffen, die sich den iVlore Leducbim zum Studium in regelmäßigem Schiur gemacht haben, er möge sie doch auseinander treiben lassen, voll Zorn zugerusen habe:Wer wagt es, gegen die Ehre Maimonides' aufzutreten und gegen sein Werk? Wer möchte mich doch im Gan Eden in seinen Kreis bringen!" Eine derartige betrübende Inkonsequenz findet man nur noch bei R. Jacob Emden, ohne daß sie durch diese Gesellschaftsleistung erklärlicher wird. Maimonides ist aber keine Privat­person, kein vereinzeltes System. Maimonides ist nicht nur die Säule der Halacha, sondern auch der siessock bajessockol, die Säule des Glaubens.

Wir haben schon das Werk des Sohnes des R. Dowber, Sbesseck I'abrabam Imnmlacb, zitirt, worin er die 13 Dogmen, die uns Maimonides von unseren Vorahnen überliefert,die wahren Schlachtreihen Israels" nennt, gegen die alle anderen Sentenzen der Agada und Kabala tn den Hintergrund treten müssen. Eine endliche Erlösung aus dem Wirrsal ungeklärter Anschauungen und Systeme, die, tobender Brandung gleich, das Schifflein des Glaubens in die Höhe und in die Abgründe hin und her schleudern.

Der Chossid läßt sich das Steuerruder nicht so aus der Hand werfen.

Er führt es mit ganz andren: Takt. Als geschickter Mohel hat der Balschemtow mit leichtem Schnitt die Orlat tmlecv, die griechische Vorhaut des Orel tome jenMm, wie ihn R. Meier ben Gabai nennt, d. i. die ganze Grundlage des . aristotelischen Systems und seine Hauptgesahr, das Lackmus, i. e. die Stabili­tätstheorie, entfernt und unschädlich gemacht, indem er den bereits zitirten vrophetischen Ausspruch thcst:Vor einem Jahrtausend war die geistige

Atmosphäre verdickt und trübe/ so daß der Wahn der Stabilitätstheorie herrschen konnte. Heutzutage ist es hell geworden, und dieser Wahn ist aus den Köpfen