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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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Llcaiwa (Gefahr), im Orient, wo die Schlangen häufig sind und bei Nacht ihr Gift in unbedecktes Wasser lassen können. Seit einem Jahrtausend ist diese Vor­schrift außer Kraft gesetzt, da ihr namentlich in Europa die Vorbedingung, nämlich die Schlangen, fehlen. Die Begründung, welche der Gaon der Gesetzeskraft dieser Regel giebt, zeigt so recht, wie Halachot nicht gemacht werden sollen. Lwin Schüler R. Pinchas von Polock, der ihm gewöhnlich früh Morgens Wasser von der Pumpe brachte, unterließ dies bei einem heftigen Unwetter und brachte es von offenem Fasse, in der Zutreffenden Voraussetzung, daß eine Schlange es sich Wohl überlegen dürfte, bei solchem Wetter am Eise hinaufzuklettern. Am nächsten Tage machte ihm der Gaon Vorwürfe darüber. Es habe ihn beim Morgengebete eine Zwangsvorstellung belästigt, und da sei er daraus gekommen, daß ihm unbe­decktes Wasser gereicht worden sein müsse eine durchaus chaßidische Kombination persönlicher Stimmungen mit äußeren Vorgängen. Wegen derartig phantastischer Begründungen der Gesetze des Schulchan Aruch ist das bereits erwähnte Werk lliüute Nallrnn, von einem Enkel des Balschemtow verfaßt, von den bedeu­tendsten Chaßidim gewissermaßen auf den Index gesetzt worden. Und doch giebt gerade dieses Werk eine Erklärung für das Auftauchen jener, namentlich in Littauen häufigen Zwangsvorstellung bei solchen, die, ohne unbedecktes Wasser benutzt zu haben, ihr Ohr böswilligen Verleumdungen wahrer Zaddikim leihen, die ebenfalls nur von dem livp, dem durch die Jahrtausende nach­

wirkenden Schlangengifte bei Eva, herrühren. Sein Schüler R. Isaak Karlin, sträubt sich selbst gegen die Aenderungen, die er an durch Jahrhunderte und die größten Autoritäten früherer Zeiten sanktionirten Minhagim aus Grund von Deduktionen aus dem babylonischen und jexusalemischen Talmud vorgenommen hat, wie z. B. die Trennung von X'QPP und "^27^ im Kaddischgebete, gegen welche der Magid bei R. Josef Karo in den strengsten Ausdrücken auftritt. Ferner die Aenderung des Thoralesens am Neumondstage, wo wir beim Leviten den dritten Vers wiederholen, ein seit mehr als einem Jahrtausend in ganz Israel fest­stehender Ritus. Gegen diese Aenderung trat R. Moses Sofer in Preßburg in strengen Worten auf. Ebenso gegen seine Aenderung der Schreibung der Söhne Hamans in der ide^illa, gegen welche ebenfalls die Autoritäten Stellung nahmen. Ebenso die als ungerechtfertigte Uebertreibung angesehene Neuerung, bei strengstem Froste im Pelze am Lcbeiuini Zieret sogar in der Sukkoh schlafen zu müssen. Ebenso verwirft sein eigener Schüler, R. Leb Polocker, sein erneuertes Verbot des neuen Getreides mit Hinweis auf R. Simeon ben Jochai, dessen halachische Ent­scheidung im Talmud keine Berücksichtigung finde trotz aller Anerkennung seiner Größe. Ebenso gegen seine Entscheidung, die Habdalah nicht stehend, sondern sitzend zu machen; feine Einführung linnener Schäusäden an Leinengewändern, ferner des täglichen Dnchenen der Priester. Ferner sein Verbot, die Schaufäden am Talis der Verstorbenen unbrauchbar zu machen, wie es der uralte Minhag vorschreibt. Ebenso gegen die Aenderung der uralten Anordnung des Seder mit drei Mazzoth, die noch dazu von R. Isaak Luria als unabänderlich erklärt ist, oder seine Ausscheidung der wunderbaren, mit der innigsten Herzensandacht seit fast einem Jahrtausend verknüpften lllstuim der Keduschah von Rosch haschanah und Jomkippur, die er als eine gesetzwidrige Unterbrechung der Keduschah erst nach vollständiger Absagung derselben nachträglich einzufügen erlauben wollte. Eine unbegreifliche Auflehnung gegen die größten Autoritäten: Raschi, alle Tossasisten und alle Autoritäten Deutschlands und Polens, als ob in ihren Zeiten Niemand gewußt hätte, uns erlaubt und verboten sei. Endlich, um nicht durch weitere Auszählungen zu ermüden, soll betr. des Mangels an zeitgemäßer Fühlung mit den praktischere Verhältnissen auf sein Verbot der durch den Schulchan Aruch erlaubten leichten Waschung der Finger und Augen am 9. Ab