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und Jom Kippur hingewiesen werden, die er, als in Widerspruch mit einen: Satze des jerusasemischen Talmud stehend, gänzlich verbieten zu sollen glaubte. Nun hat gerade der Magid des R. Josef Karo darüber eine interessante Erklärung gegeben, indem er sagt: Das Verbot des Waschens au diesen beiden Tagen, die ihrem Charakter nach einander so entgegengesetzt sind, beruht auf ein und demselben Grundsätze. Der Versöhnungstag versetzt den Juden symbolisch in die Region der Engel, denen jede Unreinheit fremd ist. Deshalb hat uns die Thora die Waschung verboten, da keine Unreinheit zu entfernen ist. Der Trauertag des 9. Uh hingegen versetzt ihn in die Region der tiefsten Verunreinigung von Geist und Gemüth, wie sie in Folge der Zerstörung der Heiligthümer eingetreten ist, da hilft keine Waschung und ist die Unterlassung derselben das Symbol dieses Zustandes. Das gilt in vollem Maße, sagt der Magid, aber nur für die frühesten Generationen, bei denen die Heiligkeit des Versöhnungstages im Tempel vollständig jener Region entsprochen hat. Aber heute, im Golus, klebt uns von selbst eine in der Atmosphäre liegende Unreinheit an, an die wir uns symbolisch sehr Wohl durch die leichte Waschung erinnern dürfen, und umgekehrt haben wir einen Ueberfluß davon auch am 9. Ab, der mit der Trauer um das Heiligthum nichts zu thun hat und entfernt werden soll.
Ueberhaupt hat der Gaon, trotzdem er der Kabbala den ersten Rang einräumte und jeden Angriff auf dieselbe als Ketzerei verpönte, die von den größten Gelehrten unter Sephardim und Aschkenasim so unverbrüchlich anerkannte Autorität des Ari zuweilen derart ignorirt, daß seine Anhänger erst weitläufige Entschuldigungen und Zurückweisungen dieses Vorwurfes bringen mußten, von denen das Wort gilt: gui s'excuse, s'accuse.
Wie bereits gesagt, soll der Größe dieses so hervorragenden Mannes dadurch keineswegs Abbruch gethan werden, Wohl aber der Anspruch auf Unfehlbarkeit, den seine Adepten erhoben haben, ebenso bestimmt zurückgewiesen werden.
Sein Vorgehen gegen die Chaßidim war ebenso verfehlt wie nicht zu rechtfertigen. Wer sich darüber informiren will, welch' bodenlosen und niederträchtigen Verleumdungen das reine Gemüth dieses in seiner Einsamkeit und Zurückgezogenheit weltfremden Gelehrten, der den Pulsschlag der Zeit nicht fühlte, zum Opfer siel, der lese das vortreffliche und ausführliche Werk von Zweifel, Lcbalom al Israel. Die Stockprügel, die er den Chaßidim appliziren ließ, die Bannflüche und Vogelfreierklärungen, die Verfolgungen und Denunziationen, die den vortrefflichen, ihm auch in äußerlicher Gelehrsamkeit vollkommen ebenbürtigen R. Senior Salman von Lubawicz auf die Peter-Pauls-Festung brachten, haben weiter keine Spure:: hinterlasse::, als die der Stählung und Kräftigung der neuen Organisation, die Reinhaltung und Anspornung ihrer besten Triebe durch lange Zeit, wenn auch nicht zu leugnen ist, daß der schöne Plan des Balschemtow, die ganze orthodoxe Judenheit um ein einheitliches Banner zu schaaren, durch dieses Schisma gestört worden ist.
Man sucht vergebens nach Differenzen prinzipieller Natur. Nicht einmal der Wunderglaube und das Supranaturalistische bietet einen Boden dafür; denn auch der Gaon war auf diesem Gebiete zu Hause. Man lese nur die Erzählungen aus seiner Umgebung von Autoritäten wie R. Chaim Wolosyn, daß der Gaon sich gerühmt habe, es sei ihm am dritten Tage des Laubhüttenfestes unser Vater Jakob erschienen. Ebenso ist ein Manuskript von ihm da, worin er sich einer vom Propheten Elia empfangenen Erklärung der ersten Mischnah von Kidduschin rühmt, u. dgl. m. in der Einleitung des Sohar-Kommentars von R. Chaim Wolosyn, was alles von den Chaßidim Erzählte übertrifft. Im Hintergründe des ganzen Streites schlummerte die unbewußte persönliche Differenz .des
'v, und nichts weiter.