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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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bis an's Lebensende fort und hauchte als siebzigjähriger Greis beim Betpnlte nach vollenderein Gebete die Seele ans (25. Tischri 6470).

In merkwürdigeiu Kontraste zu dieser außergewöhnlichen Führung ist sein Werk, Leclrmcbatb lewi, ein Muster von antiker Seelenruhe, Streben nach Klarheit und Einfachheit des Verständnisses der höchsten Probleme der Weltam schauung, in schlichter Sprache, mit Vermeidung der Allegorien der Agada und Kabbala. Maimonides und Nachmanides mit Vorliebe benützend, giebt er philo­logische Erklärungen, deren Tiefe und Natürlichkeit iir Erstaunen versetzt. Ucber- raschend ist z. B. die Erklärung, daß die Bezeichnung NQN2 für das Vieh nach den blökenden Tönen des Rindes und des Schafes gebildet ist. Da wir hier keine Uebersetzung des 284 Seiten starken Werkes geben können, beschränken wir uns auf folgende Probe aus den Aphorismen. S. 201: bi 81N N71X. ^.tta

ist die zweite Person. Aus welche Weise kann der Mensch das höchste Wesen direkt anreden? Wir müssen bedenken, daß der Mensch, dessen Mick gerade ist, in jeder Sache die Schlußfolgerung sehen kann daß es eine erste Ursache aller Ursachen giebt, die nicht begriffen werden kann und verborgen und in Dunkel gehüllt ist vor allen Geschöpfen. Das allein kann davon begriffen werden. Das bedeutend die Zusammenstellung von 81N N7KK. nttu ist die zweite Person, die direkt be­griffene, bu die dritte, verborgene, das heißt: Du bist das Unbegreifliche. Wir begreifen, daß es einen Weltschöpser giebt, der unbegreiflich ist. Nun giebt es Pch das Nichtbegriffene, und es giebt den Begriff, dessen Bcgrifssthätigkeit dieses stk betrachtet, und eine andre Art der Begriffsthätigkeit, die sich dem Lebens­strom, der die Welten erhält, zuwendet.-Die erstere heißt Tluslril

(aktive Begriffsthätigkeit), der das Unbegreifliche betrachtet und seine Ergebnisse dem Passiven Verstände mitthcilt. Das Symbol dafür ist der Vokal ei (zwei Punkte nebeneinander). Obwohl der ^l9.8kil höher steht als der empfangende 8ecbel, sodaß vielmehr der Vokal : (zwei Punkte über einander) gewählt werden sollte, so ist das nicht entsprechend, weil erstens dm mittheilende blasstil das Be­dürfnis; der Mittheilung mehr empfindet als der passive, nach dein talnmdischcn Sprüchworte, und zweitens, weil der Lehrer, der seinem Schüler einen Begriff beibringen will, seinen Geist auf das gleiche Niveau mit dem des Schülers stellen muß. Bei den Völkern steht der empfangende Verstand unter dem aktiven, da gilt das Zeichen Lebllva, für Israel das 2ere. Der aktive Nasbil giebt jedoch nicht mehr an den passiven ab, als die Volksseele Jsrael's erfassen kann, um daraus seine Bauten aufzuführen, die Schlußfolgerung (ND2); folglich ist die Volksseele das Zünglein an der Waage zwischen beiden Punkten. Es giebt dem­nach noch einen dritten Punkt unter beiden, dies symbolisirt die Stellung des Leg-ol (und ihr sollt mir ein j Kleinods sein"), fernar das Lcbüreb,

drei schräg unter einander stehende Punkte, von denen der unterste die den Begriff empfangende Volksseele, der oberste die Gabe des göttlichen, Geistes und der mittelste die Wonne bezeichnet, welche der Geber empfindet, wie ein Vater bei den Gaben an sein Kind. Die schräge Richtung der 3 Punkte deute auf den Ur­sprung aus dein Unbegreiflichen, das nicht in gerader Linie betrachtet werden kann, hin. Dort sind alle Begriffe potentiell vereinigt (^7122 871 N22), sodaß an die Stelle des Legol das Lümex tritt, welches diesen Ursprung symbolisirt." In solcher Symbolisirung der Vokalzeicheu sind ganze Kapitel der Kabbala in transcendentaler Form enthalten.

Dieser große Manu hat am Meisten dazu beigetragen, die Angriffe gegen dm Chaßidismus zu entwaffnen. Namentlich beugten sich die Lemberger OLer- rabbinerfamilien Ettingcr und Ornstein, welche damals an der Spitze der rab-