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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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Schüler!" R. Mose Löb deutet in jenem Werkchen an, daß er es war, der ihm eine Ohrfeige gab, als er bei dein Verluste seines einzigen Sohnes in seiner Gott- ergcbenheit nicht eine einzige Thräne vergoß.

Als die Kaiserin Maria Theresia den jugendlichen Rabbiner von Nikols­burg nach Wien zitirte, da mußte er bei schwerem Eisgänge über die Donau sehen. Inmitten des Flusses kam eine große Eisscholle.Wir sind verloren," sagte der Schisser. Darob allgemeines Angstgeschrei. R. Mose Löb, der ihn begleitete, klatschte in die Hände.Wir gehen zu unsrem'Vater im Himmel!" Als er vor - der judenseindlichen Monarchin erschien, blickte er, der nie das Antlitz einer Frau gesehen, aus den Fußboden.Schau er mich an!" herrschte die Kaiserin. Warum schaut er auf die Erde?"Ich schaue aus die Erde, von der ich gekommen bin," war die Antwort des R. Schmelke.

R. Elimelech, der ihn in Nikolsburg besuchte, hörte seinen Vortrag, von dem sein Werk Oibre Lamuel ein Beispiel von der Tiefe des bei seinem Lehrer R. Dowber erworbenen Jdeenfchatzes giebt, für den jenes Publikum kein Ver- ständniß haben konnte. Nach ihm bestieg nun R. Elimelech die Kanzel mit folgendem Gleichniß: Ein König hatte von einem andern ein theures Pferd als Geschenk ^ erhalten, das seines Gleichen nicht hatte. Das Pferd erkrankte, und der König befahl seinem Leibarzte, es,zu kuriren. Dieser setzte seine ganze Kunst vergeblich daran. Der König war untröstlich. Da meldete sich ein einfacher Bauer, ein Kurschmied, und unternahm es, das Pferd zu kuriren.Du spielst um Deinen Kops," sprach der König,es ist ein Stück von unschätzbarem Werthe." Der Bauer hielt Wort. Als ihn der König fragte:Bist Du denn gelehrter als mein

Leibarzt?", antwortete er:Dein Leibarzt ist ein Arzt für Könige, für Pferde bin ich da. R. Schmelke will Erich mit Kabbala und tiefen Problemen kuriren, s ich werde Euch Eure Krankheiten ausrechnen." Und er rechnete ihnen vor, daß ihnen die Augen übergingen. R. Mordechai Bauet war damals Schüler des R. Schmelke. R. Elimelech ging an seinem Fenster vorbei, wo er nach durch- ^ Wächter Nacht emsig lernte.Mordcha", rief er ihm zu,wann wirst Du schon endlich Dsebruve (Buße) thun?" R. Mordechai erschrak darüber, da er sich keiner Sünde bewußt war, und fragte seinen Lehrer, was jener damit gemeint haben könne.Er hat Recht," sagte dieser.Du fastest, und der Talmud sagt: Der Gelehrte, der sich mit Fasten plagt, begeht eine große Sünde." i

R. Elimelech von Lezajsk. ^

Galizien war bei der ersten Theilung Polens 1772 an Oesterreich gefallen, wodurch Maria Theresia einen sehr unwillkommenen Zuwachs an jüdischen Unter- thanen erhalten hatte, denen sie dann auch durch Drangsalirungen aller Art zusetzte. Man soll um keine neue Herrschaft beten, sagt das alte Sprüchwort; denn so drückend die Lage der Juden während der Verfallszeit in der polnischen Republik mit dem Wahlköuig an der Spitze auch war, so konnte doch der despotische kleine ! Gutsherr den Juden nicht entbehren, während nunmehr eine einheitliche antise- > uritische Tendenz auf die Unterdrückung des jüdischen Elementes abzielte. Tie > Bevölkerung, welche gerade in dieser Gegend durch die furchtbare Katastrophe von 1648, dem Kosakenmassacre, am meisten gelitten hatte, war durch die nachfolgenden ! Schwedenkriege und die in ihrem Gefolge daherschreitenden Hungersnöthe und Epidemien dezinnrt, beispiellos verarmt und auf etwa 70 000 Seelen gebracht. Aber der Segen Abraham's trat nach dem Fluche der Goluskatastrophe wieder in seine Rechte, wie die in der Statistik beispiellos dastehende Vermehrung aus das Zehnfache im Laufe eines Jahrhunderts darthut. In jener Lage wurden die