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tausenden die besten Kräfte liefern, die es von sich abstössi, ohne daß sein eigener Bestand dadurch ärmer wird, eine Variante von Schiller's „Sendung Moses", der die Völker aus dein Abfällekanal der jüdischen Kultur schöpfen läßt, dieser Reichthum war durch Erscheinungen, wie die des Magid, keineswegs erschöpft. Der Scher von Lublin versammelte tun sich die bedeutendsten Gelehrwn von Bolen. Galizien und Ungarn keineswegs als blinde Gläubige, sondern als strenge Prüfer, die jeden seiner Schritte beobachteten und bewachten, von denen die Meisten dem Chassidismus als einer neuen, räthselhafteu Erscheinung zuerst als Gegner, dann als Skeptiker gegenüberstanden, ohne sich durch supranaturalistische Thatsachen blenden zu lassen, bis sie ihm das Epitheton bei
legten, das man seit den Zeiten des Redaktors der Mischnah nicht gehört hatte. So sagte der Rabbiner von Przedborz, R. Jesaia, einer der ersten Gelehrteil seines Zeitalters, dabei von gefürchteter Strenge und besonders heiligem Lebenswandel, er habe diesen Lehrer durch 22 Jahre auf Schritt und Tritt beobachtet und gefunden, daß sein Aufstehen vom Schlafe um Mitternacht durch die ganze Zeit nicht um fünf Minuten differirt habe. Man könnte ein ganzes Buch über die Einzelheiten des Lebens dieses Oberhauvtes seiner Generation schreiben, der für Groß und Klein jeden Tag die merkwürdigsteil Seherblicke bot, so daß ihn der durch, seine fruchtbare Schriftthätigkeit bekannte R. Hirsch von Dynow mit dem Propheten Samuel vergleicht, bis- auf das Fehlen des Prophetenwortes "IQX N2 'N, lind ail seinem Tische saßen 120 Männer, denen er von seinem Geiste mit- theilte, leuchtende Gestalten, deren geistige Ueberlegenheit und antiker jüdischer' Frohsinn noch bei mir bekannten Greisen Bewunderung erregte, die sich im Alter voll 80 und 90 Jahreil die Reinheit und Frische des jugendlichen Gemüthes, vereint mit bezaubernder Güte und uralter Weisheit, bewahrt hatten.
Unter diesen Schülern gab es Einen, der denselben Namen wie sein Lehrer führte, R. Isaak Jakob aus Przysucha, den man deshalb schlichthin den „Jüd" nannte; man gab ihm das Epitheton ,,die goldene Sange (Aehre) unter den Rebbcs", einen Mann, den Zeitgenossen und spätere Großen als sein."?. Lehrer noch überragend betrachteten.
Es giebt eine merkwürdige psychologische These des Art, die schwer verständlich zu machen ist. Derselbe unterscheidet zwischen der psychischeil Anlage R. Akiba's- und R. Simeon ben Jochai's, wie zwischen einer psychochemischen Differenz zwischen und was man schlechthin mit „Strenge"
und „Liebe" 'übersetzt, ohne das Wesentliche auch nur annähernd zu streifen, spricht ja auch die Chemie bei Atomen voir Liebe und Furcht, Anziehung und Abstoßung in fast allegorischer Anpassung an diese menschlichen Gefühle. In der Wirkung äußere sich die Verschiedenheit so, daß die Ersterenckeine Unterordnung in harmonischer Folge vertragen, so daß bei ihnen von dem wirklichen, sagen wir: positiven und negativen Verhältniß zwischen Lehrer und Schüler, wie bei R. Simeon ben Jochai und seinem Kreise, oder wie bei R. Israel Balschemtow und R. Dowber, keine Rede sein kann. Jene haben keine festen Lehrer
ON^). So kam es, daß R. Elimelech sich dem Balschemtow gar nicht, seinem Schüler nicht völlig unterordnen konnte, der Rabbi von Lublin, der, wie der Magid, in seiner Jugend bei R. Dowber gewiesen war, nicht seinem eigentlicheil Lehrer R. Elimelech und der jetzt erwähnte R. Isaak Jakob nicht seinem Lehrer, so sehr er sich auch dieser Unterordnung zu befleißigen suchte. Es waren eben zwei leuchtende Organismen zu nahe aneinander gerückt, deren Strahlen, wie bei der Interferenz des Lichtes sich gegenseitig aufhoben und in der folgenden Generation dadurch einen gewaltigen Umschlag hcrvorriefen. —