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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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am Gauinen klebte, betete er inbrünstig meinend um Erleuchtung, bis ihn der Schlaf übermannte. Da sah er im Traume Alsasi, der ihn: den R. Elimelech zeigte, zu dem er wandern solle, um sein Ziel zu erreichen, lind bei ihm blieb er bis zu dessen Hinscheiden, dann reiste er nach Rußland, um den R. Baruch, den Enkel des Balschem,, kennen zu lernen. Ans dem Wege trat er in Sdilkow bei dessen Bruder R. Esraim ein, dessen Genie schon sein Großvater R. Israel gerühmt hatte, dem Verfasser des ausgezeichneten Werkes Hegel Nacbnel: Ulraim. Es war Freitag, und er schickte seinen Famulus, nur sich anmelden zu lassen. Der Rabbi sagte:Diese Cordoner (Galizien wurde wegen der neuen Grenze Cordon genannt) sind alle Wunderrebbes; ich will ihn nicht vorlassen." Der Famulus nahm die Antwort nicht tragisch und sagte seinen: Herrn, er könne eintreten. Der vegei führte ein fürstliches Haus. ' Er schnitt sich gerade die Nägel vor Sabbath, inan wusch ihn: die Hände aus einem goldenen Kännchen, und mit den: Rücken gegen den Eintretenden sitzend, reichte er ihm über die Schulter die Hand zun: Willkommen.Ihr seid R. Elimelech's Schüler? Könnt Ihr mir ein Wunder (N2D) von Euren: Rebben erzählen?"Das gerade nicht", antwortete R. Mendel,ich kann nur soviel sagen, daß es hinter den: Ohre eine Ader giebt, die man beim Menschen nur in der Agonie (TlO^Od) Pul siven sieht; bei ihn: habe ich sie bei jeder Schmone Eßreh schlagen gesehen." Darauf : wandte ihm der Rabbiner das Gesicht zu und bewillkommnet«: ihn auf's Neue, bis er sich schließlich nach weiteren Gesprächen an: Sabbath nicht mehr von ihn: trennen konnte. Dieser Mann, den der Kozieniecer Magid ii: einer Anspielung auf seinen Namen Mendel (altdeutsch-österr. Dialekt für das schwäbische Männchen") das HPden Augapfel (Männchen in: Auge) der

Generation" nannte, wurde von Anderen der lllelcor Hajir'ab, die Onelle der Ehrfurcht, wegen der voi: ihn: eingeführten strenge,: Frömmigkeit, und, da er den Schwerpunkt des religiösen Lebens wieder in das Gebet verlegte, der Rmn«! Imt'üIIaü, die Säule des Gebetes, genannt. Sein Einfluß auf die Gemüther glich dein seines Lehrers. In welchen: Ansehen er bei seinen Zeitgenossen in außerjüdischen Kreisen stand, hatte ich in: Jahre 1888 zu beobachten Gelegenheit. Es war in Rymanow vor Rasch haschonoh, als der 80 jährige Graf Darowski, ein angesehener polnischer Schriftsteller und Freiheitskämpfer von 1831, Be­gründer des philosenütischen Vereins ^^uclas ^cüiin in Lemberg, das Grab dieses Rabbiners in Begleitung seines Sohnes, des Stadtbaumeisters von Lem­berg, besuchte. Alle Edelleute der Ilmgegend kamen, um dem (Nsteiertcn ihre Ehrerbietung zu bezeugen. Er erzählte den: Kultnspräsidenten Lobl Chil die Ursache seines Kommens. Er war in: achten Lebensjahre von eine::: unheilbaren Siechthume befallen. Seine Mutter, die aus weiter Ferne die berühmtesten Aerzte geholt hatte, war vergeblich bemüht, den einzigen Sohn zu retten. Ihre Gutsnachbarin, die Großmutter des Philanthropen Ritters von Gniewosz, traf sie in Verzweiflung nutz aufgelösten: Haar, weinend und händeringend. Sie tröstete sie, es sei da ein Wunderrabbi in Frysztak (seinen: ersten Wohnorte), der ihr helfen werde. Es war eine Winternacht, man spannte sofort an cs waren acht Meilen von Nowosielce und kau: Donnerstag f:üh 5 Uhr zun: Rabbi. Es wurde gerade in: Hause für die Armen Brot gebacken, und der Diener, der sie meldete, erhielt den Bescheid, daß sie um 9 Uhr nach dem Gebete vor- gelafsen werden würden. Der Rabbi, der geläufig polnisch sprach, fragte sie, nachdem sie ihr Anliegen vorgetragen hatten:Bin ich denn ein Zauberer, daß Sie zu mir kommen?"Nein", antwortete die Gräfin,aber Sie sind ein Mann, der durch seinen Lebenswandel Gott näher steht, als die Anderem, und dessen Gebet daran: eher erhört wird."Nun, so werde ich für das Kind beten."