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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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tualität der kleine Kreis der bevorzugten Genies zu Grunde gerichtet und unr­ein Zerrbild geschaffen werden könnte, das eine Gefahr für das Judenthmn bilden würde. Der Magid hatte bereits den Witz gemacht und 4. B. M. 11,2!): 2^21 8"! 21» ^2 so wiedergegeben:Wer wird etwas hcrgeben, wenn das ganze Volk Propheten sein wird?"

Aber die Anziehungskraft, welche diese Männer ansübten, !var eine so hinreißende, und ganz besonders bei diesem jungen Manne, von welchem ein kom­petenter und neutraler Beobachter-, R. Saul Landau in Krakau, urtheilte, daß er unter allen Nachfolgern des Balschemtow den höchsten Flug genommen, daß, wo er durchkam, Jung und Alt ihm entgegenlief. Als er vor Rpmauow eintraf, war der ganze Weg auf eine Viertelmeile mit Fuhrwerken'und herbeiströmendem Volke belegt, die Dächer waren von Schaulustigen besetzt, so daß der sechsjährige Sohn des R. Mendel, der spätere R. Natan Lob, zu seinem Vater lief, mit der Meldung:Moschiach ist gekommen".

Der alte Löwe ging dem jungen Adler entgegen, und als er den Massen­aufzug sah, entrang sich seinen Lippen der talmudische Ausruf: 2'1'p^ iix

^1X12Wehe den Augen, die das sehen!" Sein scharfer Blick hatte

sofort erkannt, daß feine, seiner Kollegen und Lehrer Berechnungen und Pläne auf die endgültige Abrechnung vernichtet, daß dieselbe einmal wieder ml cLlcinias .graecas hinausgeschoben sei und daß eine neue Phase des Chaßidismus die bis­herige Organisation durch etwas Neues uud Unbekanntes ersehen werde. So liebevoll uud ehrend er den neuen Ankömmling auch begrüßte und unter längeren Unterredungen aufnahm., so verhielt er sich doch seinen Vermittelungsversuchen gegenüber ablehnend und ricth ihn: die unbedingte Unterwerfung unter seinen Lehrer an. Er kehrte nach Hause zurück uud starb ein Jahr später (19. Tischri 1812), von zahlreichen Anhängern mit Ingrimm im Herzen tief betrauert.

Sein Lehrer, der Seher, hatte inzwischen gegen die zuströmenden Massen eine""ftrenge, abwehrende Haltung anzunehmen begonnen. Die meisten Namen, die ihm borgelegt wurden, zerriß er mit den Worten: fix 'ppID ^2 i"NDN^ Es sollen abgesondert werden alle, die Unrecht thun." Der Chaßidismus hatte seinen .Kulminationspunkt erreicht und überschritten.

Da trat ein bisher noch unaufgeklärtes Ereigniß ein, das diesen obersten Anführer und seine Mitfeldherren zu eben derselben Zeit hinwegraffte, in welcher auch auf dem äußeren Gebiete der allgemeinen Geschichte die Sturm- und Drang- Periode, die mit der französischen Revolution eingesetzt hatte, mit dem Sturze Napoleon's ihren Abschluß fand.

Am Rüsttage des Sukkothfestes 6678 ()814) war R. Israel Koziniecer, der ungeachtet seiner überaus schwächlichen Konstitution ein sehr hohes Alter erreicht hatte, nach dem Gebete, das er wie gewöhnlich mit ungewöhnlicher .Kraft­anstrengung abhjelt, sanft wie ein Vöglein entschlafen.

Um das Fest nicht zu stören, verschwieg man sein Hinscheiden seinem intimsten Freunde, dem Rabbi von Lublin, bei welchem das Fest bis zum Schlüsse in gewohnter Feierlichkeit abgehalten wurde. Am letzten Abend, an Simchas Thora, nach den llakalotb, die den geistigen Höhepunkt der mit dem Neujahrs­feste beginnenden religiösen Akte bilden, zog sich der Rabbi auf sein Zimmer zurück, mn ans dem Sopha auszuruhen, während seine Diener, die Fcstgesellschaft aufsuchend, ihn allein ließen zpp'' Das Zimmer, das noch

bis heute in demselben Zustande erhalten ist, liegt im ersten Stock über dein Bethhamidrafch. Äls ein Choßid, Namens Leiser Staszower, um Mitternacht