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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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vorüber ging, sah er eine weißgekleidete Gestalt auf der Straße liegen. Er­schrocken fragend, wer das sei, erhielt er die Antwort:Jakob Jizchak ben Matel"; es war der Rabbiner. Der Mann stürzte vor Entsetzen zusammen, raffte sich jedoch wieder ans und schrie um Hilfe. Man kam herbei und trug den Rabbiner in seine Wohnung. Das Fenster war bei der herrschenden Kälte geschlossen, und die Geräthe, die daraus standen, unberührt, nur das Luftsenster der mittelsten Scheibe war offen, durch welches er bei seinen Visionen seine Blicke zu richten Pflegte. Sonst erhob er niemals aus den vier Ellen seinen Blick, und in seiner Jugend hatte er durch drei Jahre hindurch die Augen verbunden gehabt, um die Außenwelt nicht anzusehen. Er war ein Mann von hohen: Wüchse, dessen Kops kaum durch das Fensterchen ging. Man rief den Arzt, Dr. Bernhard. Derselbe war, wie früher Dr. Gordon bei R. Dowbcr, der durch Anhören seines Vortrages über Psalm 107 am Freitag Abend aus einen: Freidenker ein enragirter Choßid geworden war und dessen Nachkommen noch heute fromme Choßidim sind, durch R. David Lelower bekehrt worden. Er war einer der angesehensten polnischen Aerzte, hatte in Breslau studirt und seinen Wohn­sitz in Radomsk genommen, wo er frei nur,in christlicher Gesellschaft verkehrte. Einst traf ihn R. David und sagte ihm nur die Worte:Wenn Du Buße thun möchtest, so kannst Du Dir nicht vorstellen, welche Freude Du Deinem himm­lischen Vater damit bereiten würdest." Diese Worte aus solchem Munde übten aus den Arzt eine so tiefe Wirkung, daß er nach Hause eilte, das ganze Küchen­geschirr zum Fenster hinauswarf, ein streng religiöses Leben begann und sich trotz seiner großen Praxis den strengsten Kasteiungen unterwarf. Mein oben­erwähnter Lehrer, der Rabbiner von: Radomsk ^"21, besuchte ihn als hoch­betagten Greis aus seinem Sterbelager und sagte ihm tröstend:

die früheren Tage werden Wegfällen". Da richtete er sich vom Lager auf und sagte:In dem N121 vom Or Hacbajim (ben Atar), den ich abwendig gelernt habe, hoffe ich, daß auch meine ersten Tage mitge­nommen werden können."

R. David hatte ihn nach Lublin mitgenommen, und er erzählte, daß ihm der Seher am Schabuothfeste beim Gebete in der Vision den blaainacl lllar Liimi gezeigt hätte. Den Vorgang bei diesem Sturze erzählte er selbst meinem Freunde, dem sel. Rabbiner von Sosnowice. Als er den Rablnner fragte, wo es ihn schmerze, antwortete er:Der serecb Sinol, die linke Hüfte", und auf die Frage, was vorgegangcn sei, gab er die Worte:Die ganze Litra acbre hat sich über mich genommen. Nach einem solchen Simchas Thora so ein Tischo Beaw." (Er starb am 9. Ab desselben Jahres.) Der Magid sei ihm zu Hilfe gekommen und habe seine rechte Seite gestützt, und seine Mutter seine linke Seite. Sein Seherauge war ungetrübt, so daß er sowohl den Tod des Maggid, wie auch seinen eigenen Todestag gesehen hatte.

Er konnte jedoch das Bett nicht mehr verlassen, und starb am Tischo Beaw, nachdem er vorher am Sabbath ?. ?ineba8 seinen Lieblingsschüler N. Meier von Apt (Opatow), den Lehrer des erwähnten Rabbi's von Radomsk, als Leviten zur Thora hatte aufrufen lassen und ihm besohlen hatte, bis^L^N zu lesen, damit er ihm Lei dem Versedamit die Gemeinde des Ewigen nicht bleibe, wie die Heerde ohne Hirten" die Zemicbab an seiner Stelle übertrage. Auf seinem Grabstein steht die Inschrift, daß sein Tod am Trauertage der Zerstörung eines dritten Beth Hamikdasch glcichkäme. In demselben Jahre hatte am 19. Jjar der Dritte im Bunde, R. Mendel Rymanower, das Zeitliche gesegnet. So schloß mit den: Jahre 1815 der Siegeslauf einer neuen Epoche im Judenthum, um den