Druckschrift 
Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
Entstehung
Seite
167
Einzelbild herunterladen

167

sah man buchstäblich bei ihm, dem die Haare vor Furcht zu Berge standen. Die Hirten auf dem Felde wußten das Bieh nach Hause zu treiben, wenn er

2^1 IN schrie. Lallin lr^ma Hai, der Rabbiner hält schon bei

Ellas." Seine Chaßidim, durchwegs gelehrte und bedürfnißlose Leute, waren nach dem Ausspruche R. Jsrael's von Rozan die geschliffensten Schüler, die je ein Rabbi ausgestellt hat.

In Weftgalizien, wo der Chaßidismus bei der großen Armuth, der physischen und geistigen Verkümmerung am spätesten und schwächsten Wurzel gefaßt hatte, war der geistreiche R. Naftali von Ropczyce der Führer. Dieser bedeutende Mann, der väterlicherseits aus einer uralten Rabbinerfamilie stammte, mütterlicherseits Enkel des Hamburger Rabbiners Isaak Horowitz war, war von R. Elimelech zurückgewiesen worden, weil dieser den Geburtsadel, der sich damals sehr anmaßend benahm, nicht leiden wollte. Es bedurfte inständiger Bitten, bis er den jungen Mann aufnahm, der später bei seinen Schülern eine ziemlich selbständige Rolle spielte und die Strenge seines Lehrers R. Mendel von Rymanow ebenso zu korrigirm suchte, wie derJüd" die Güte des seinigen. Nach dein Dahinscheiden der großen Lehrer und mit dein Beginne einer neuen, alles ver­wirrenden Richtung in Polen, war dieser Mann bereit, die Flinte in's Korn zu werfen, dm Chaßidismus abzuschaffen und zu der alten Methode zurückzukchren. Den R. Josef Babad, späteren Tarnapoler Rabbiner, Verfasser des lVlincllas Onnucll, eines der bedeutendsten talmudischen Werke der Neuzeit, der sich ihm als Choßid anschlicßen wollte, verwies er nach Hause an den Studirtisch; er solle sich um Memand kümmern. Doch sah er ein, daß das Rad der Zeit nicht zurückzuschrauben sei.

In Polen war zwischen dem Anhänge der älteren Rabbinen und dem des R. Isaak Jakob von Przysucha eine bedrohliche Spaltung eingetreten. Es trat ein Mann auf, R. Simcha Bunem, derselbe, von welchem selbst ein Jsak Mieses gesagt hat, daß er und der früher erwähnte R. Naftali die geistreichsten Männer des Jahrhunderts gewesen seien. Derselbe war ein Sohn des Wojdislawer Magid, des berühmten Rivalen des ebenso witzigen Dubner Magid. Bei beiden bedeutete der TitelMagid" wirklichWanderprediger", nicht wie bei dm Chaßidim und bei R. Mose Chaim Luzzato den eines inspirirten Redners, die Stufe unter X'2). Derselbe hatte in seiner Jugend Medizin studirt, um dann in Danzig die Pharmacie zu erlernen, war demnach mit der modernen Bildung und den abtrünnigen Elementen der neuen Reform in Contact gekommen und stand hart am Abwege. Eine Begegnung mit dem unvergleichlichen R. David Lelower genügte, um auch ihn zum feurigen Choßid zu machen. Nachdem er dann R. Mose Leb Sassower kennen gelernt hatte, schloß er sich demJüd" an, dessen unerreichbare Höhe ihm besonders imponirte, der ihm auch, wie s. Zt. Maimonides, als der richtige Seelenarzt für psychische Defekte erschien. Einer der Alten von dergroßen Armee" erzählte nur, daß er mit seinem Lehrer, deni Krakauer R. Kalman Epstein (Verfasser des llllror n-mcllemescll), und R. Bunem vor dem Bethhamidrasch in Lublin auf dm Holzpfosten saß und hörte, wie R. Bunem diesen: Schüler des R. Elimelech klagte, daß er von Glaubmszweifeln belästigt werde.Ihr müßt", sagte ihn, dieser,im Leer lla^olak aus dem und dem Blatte halten." (Leer llagollrll ist ein polemisches Werk des Mahral gegen den italienischen Rationalisten de Ross,.) R. Bunem war aufs Aenßerste von den: Scharfblick des lllaor rvascllemescll betroffen, den: er auch Zeitlebens den Respekt bewahrte, dm er dessen Kollegen schuldig blieb.