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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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Pädagogen, diese Triebe zu zähmen und an denselben das gesellschaftliche Leben an sich zu fesseln. Dazu dienten Nor allein die gemeinschaftlichen Gastmahle, bei denen der gemeine Manie sehen sollte, was der Talmud unter der Sentenz versteht, daß der Tisch nach der Zerstörung des Tempels den Altar vertritt, und wie der wahrhafte Weise sich mit dein Ernährrmgstriebe abfindet, der den alten Römer und feine Kulturgenossen so tief unter das edlere Rassenvieh zu erniedrigen pflegte. In dieser Stimmung, in welcher der Mensch so eigentlich bei sich selbst zu Hause ist, kann man dann eher unversehens ein vernünftiges Wort zu ihn: reden, während der schönste Vortrag eines bezahlten Offiziosns irr seinem vollen Werthe erst bei der Verdauung abgeschätzt wird, die er entweder gestört oder be­schleunigt hat. Diese Mahlzeiten, öie als Neuerung erschienen, waren schon den alten Römern als Grundlage der jüdischen Riten bekannt, da in den Edikten der Cäsaren die Erlaubniß an die Juden vorkommt, Beiträge lind Pilgerfahrten zu den öffentlichen Mahlzeiten in Jerusalem, wie sie die ril'Gp nannten, zu leisten. So heißt es auch in der Thora (V, 14,23):lind du sollst essen vor dem Ewigen, d. G., an dem Orte, den Er erwählen wird, nur Seinen Namen dort rühm zu lassen, den Zehnten deines Getreides, Mostes und Oeles und die Erstlinge deines Rindes und Kleinviehes, damit du lernen sollst, den Ewigen, d. G., ehrfürchten zu allen Zeiten."

So lange diese Versammlungen geschlossene Kreise bildeten, an denen hauptsächlich auserlesene Chaßidün theilnahmen, waren auch die Vorträge und Anregungen, aus denen die meisten Schriften dann nach jeden: Wochenabschnittc zusammengestellt wurden, den tiefsten Betrachtungen gewidmet. Mit dem Be­ginne des neuen Massenchaßidismus sollte auch die Organisation einer ent­sprechenden Aenderung unterworfen werden.

Der Nachahmungstrieb des unreifen gemeinen Mannes, dem geliebten und bewunderten Großen seine kleinsten Bewegungen, wie seine Begeisterung und Ekstase nachzuäffen,und wie er sich räuspert und wie er spuckt, das habt Ihr ihm richtig abgeguckt" wobei von dein Erhabenen zum Lächerlichen nur ein Schritt ist, hatte Erscheinungen von störender Schwärmerei hervor­gerufen, welche schon R. Elimelech in 4'. Kedoseliiiu in einer Anlehnung an folgende talmudische Sentenz tadelt. Zum Verse (3. B. Di. 19,4): px 152N

Ihr sollt Euch nicht zu den Abgöttern wenden", bemerkt der Sifre: 22NP1V (ei) Diese dunkle Bemerkung erklärt R. Elimelech dahin:

Ihr sollt das Göttliche in Eurem Gefühle nicht durch leere Nachäffung ersetzen." Wenn, sagt er, der Zadbik bei der höchsten seelischen Emotion unwillkürliche und unbewußte Bewegungen macht, so ist das eine Seelen­äußerung, die er nicht bemeistern kann. Wenn aber der gemeine Mann so etwas nachäfft, so ist das Götzendienst; denn was ist ein Götzendienst andres, als die Erniedrigung einer hohen Seelenidcc, die in den Schmutz der Entartung, in phantastischen Formen aus lebloses Holz und Stein übertragen wird? Um alle diese UcberMiffe auf das Gebiet der transcendentalen Mystik aus dm Volkskreisen zu verbannen, hatte R. Bunem das Extrem gewählt, das der ältere R. Bechaja bcn Pakuda in scinein Ebolmtb Walvvmvotlr, Abth. V Sclmar ffclmci llamaasseb (S. 119 ed. Lemberg), mit seiner: Gefahren irr folgender: Worten geschildert hat:Wenn nun der Löse Trieb Dich auf alle erwähnten Arten vergeblich abwendig zu machen gesucht hat, so wird er dies durch einen Appell an Deine Abneigung gegen die unechte, aus den Beifall der Umgebung berechnete Frömmigkeit versuchen, und wird sagen: um Dich den: Beifall der Menge-zu entziehen, mußt Du Deine Religiosität nicht nur verdecken, sondern