174
Deinem
sogar eine Maske vornehmen, die das Gegentheil dessen zeigt, was in Herzen vorgeht; das Gebet so kurz als möglich verrichten und durch Nichts dabei eine Emotion und Andacht verrathen; wenn Dn Nachdenken und studiren willst, so soll Niemand davon etwas erfahren, außer Deinem Schöpfer. Du sollst keine einzige gute Eigenschaft zeigen, als gleichgiltig lind nachlässig in der Ausübung der Riten erscheinen, nicht zum Guten ermuntern oder vor dem Schlechten warnen; Deine Weisheit nicht leuchten lassen und Niemandem mittheileu. Man soll nicht das mindeste Zeichen des Frommen an Dir sehen oder die Abzeichen des religiösen Dienstes, damit man Dich nicht wegen Deiner Frömmigkeit ehre. Znr Vervollkommnung dieser Verstellung sollst Du den Umgang aller Klassen suchen, ihre Gebräuche mitmachen und Dich weder bei ihrem Ernst noch Lei ihrem Spott von ihnen unterscheiden. Du brauchst Dich auch nicht so übertrieben vor einer Lüge zu hüten, sondern sollst Dich bei Gelagen und Spielen denselben anschließen, kurz, Alles thun, was Dich nicht als Frommen erscheinen läßt. Auf diese Art wird er (der böse Trieb) Dir Deinen Glauben rauben, ohne daß Dn es merkst." Folgt eine Entkräftung aller dieser Argumente, die eine merkwürdig wahrheitsgetreue Schilderung der Führung dieser neuen „Burschenschaft" bieten, 600 Jahre nach R. Bechaja.
R. Blmem hat dieses gefährliche Programm zeitgemäß befunden und den Seiltanz gewagt, den er schon in seinen Jugendjahren an der Pharmaceuten- schule nothgedrungen einschlagen mußte. Er glaubte auf demselben Wege auch die schwankenden Elemente und die Materialisten zur Religiosität heranziehen und den listigeil Gegner überlisten zu können. Die Maske der Irreligiosität wurde derart verwendet, daß z. B. seine Leute am Sabbath in Warschau, der frömmsten unter den großen Gemeinden, einen fahrenden Fiaker durch Zuruf halten ließen, um in die nächste Straßenecke einbiegend, zu verschwinden, während der Fernstehende schwören konnte, sic hätten den Sabbath entweiht. Die Abkürzung der Gebetszeit wurde im Gegensätze zu den Alteil so excentrisch durchgeführt, daß die Gesellschaft an einem Ncujahrstage sich unbeachtet in einem Keller um halb siebeil llhr früh versammelte, binnen einer halben Stunde dar- ganze Gebet einschließlich des Schosarblasens fertigbrachtc, und dann, als ob nichts geschehen wäre, im Bcthhamidrasch erschien, um den ganzen Tag beim Talmudstudium zuzubringen, ohne daß Jemand ahneil konnte, daß das Gebet, das bei den Chaßidim fast den ganzen Neujahrstag dauert, bereits absolvirt sein könnte.
Dieses Ereigniß stieß jedoch dem Fasse den Boden aus. Man hatte bisher alle Keckheiteil und Angriffe auf der Gegenseite geduldig gewähren lassen, dic- Kunststücke der neuen Methode mit Achselzucken beantwortet, aber diese Pro- fanisirung des Neujahrstages, des jom lllaclin, dessen Ernst und Heiligkeit der Begehung den Juden wirklich in seiner auserwählten Stellung zeigt, das war denn doch zu viel. Von den alteil Führern vor 1815 war noch ein Mann übrig geblieben, ein Schüler des R. Dowber und Lieblingsschüler des R. Elimelech. Als einst der Schüler des Xecluscbas llevi, R. Mose Soweraner, den R. Elimelech besuchte, traf er im Vorzimmer einen jungeil Mann, dessen Erscheinung ihm außerordentlich imponirte. „Wer ist dieser glanzvolle junge Mann?" fragte erden R. Elimelech. Dieser antwortete: „Er heißt AhrglMN-Jssua-HeschA und macht seinem Namen Ehre. Er besitzt von der Liebe Abraham's, sein Aeußeres gleicht Josua, und einen Kopf hat er, wie sein Ahne, der als „Charis" bekannte R. R. Heschel (Lehrer des Zcüacü, um 16ä8)."