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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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der Afsimilationspartei. Das Grundprinzip des Chassidismus, daß das Wesen der jüdischen Religion nicht bloß mit einer rein äußerlichen, mechanischen Be­folgung des Schulchan Aruch und dem ebenso äußerlichen Schriftstudium erschöpft sei, sondern daß an Stelle des zerstörten göttlichen Wohnsitzes, des Uetb bLmilläa5cll, auserlesene Männer, tote zu Zeiten des Talmud und der Propheten, die lebendige Verbindung mit der göttlichen Weltleitung lind Vorsehung reprä- sentiren, diese uralte Anschauung vertritt R. Mose Sofer lebhaft genug, nicht nur in zahlreicheil, von seinen Söhnen und Schülern mündlich überlieferten Sentenzen, sondern auch direkt in seinen Responsen. Er rühmt sich selbst und sein Letblmillickrrmcb des vom alteil Letbbanlilc6a8cb gerühmten trans- cendentalen Raumes: L12122 ON21Pman stand gedrängt

und bückte sich bequem", und in Resp. 197 tritt er mit seiner ganzen Autorität als Zeuge für die Wunderkraft seines Lehrers R, Natan Adler ein.

Wie sein Sohn R. Simon Schreiber berichtete, habe er ihn einmal um Auskunft über, die eigentliche Bedeutsamkeit dieses Lehrers gefragt, uno darauf die Antwort erhalten:Was soll ich Dir sagen? Ich bin dmffkein

Chüßid und hasse Ousmes (Uebcrtreibungen); aber das kann ich Dir Hagen, was mein Rebbe hat gewesen (intuitiv begriffen), hat kein Engel, kein

Seraph begriffen!" Das ist aber denn doch mehr, als irgend ein Choßid seinem Rabbi nachzurühmen gewagt hat. Ebenso hat er die Exhumirung des in Karlsbad verstorbenen und in Lichtenstadt beigesetztcn Rabbi Mordcha Ban et ^"21 behufs Uebersührung nach Nikolsburg trotz aller gesetzlich entgegen­stehenden Schwierigkeiten zwar rituell begründet, aber dennoch hinzugefügt, daß er die Erlaubniß zu ertheilen nicht gewagt haben würde, wäre ihn: nichl R. Mordcha erschienen und hätte er ihm nicht die Ursache initgetheilt, warum er ein halbes Jahr in Lichtenstadt zur Ruhe bestattet werden und dann nach Nikols­burg überführt werden mußte. Ebenso sagte er bei seinem durch heilige Seelen­größe überaus merkwürdigen Hinscheiden der Gemeinde und seinein zweiten Sohne N. Benjamin zu, daß er nach seinem Tode demselben den Mangel an hinreichenden Kenntnissen zur Vertretung seiner Lehrthätigkeit durch sein individuelles Eingreifen ersetzen werde, mit den Worteil des Propheteil Natan (1. Köm 1,14b), genau so, wie dies vom Koziniecer Magid und dessen Sohn R. Mose belichtet wird, dessen spätere Gelehffamkeit alle, die ihn bei Lebzeiten seines Vaters gekannt hatten, in Erstaunen setzte.

R. Moses Teitelbaum gehörte, wie sein Schwiegersohn R. Leibisch Charit und wie R. Abraham David von Buczacz, R. Hirsch Elimelech von Dynow und viele Andere, zu einer Reihe Talmudgelehrtcr ersten Ranges und strengster Asketik, die sich gleichsam über Nacht durch außerordentliche Impression'der neuen Richtung mit Eifer auschlossen, ohne ein Jota von ihrem bereits voll­ständig entwickelten inneren Wesen preiszugeben, etwa wie ein starker, bereits voll entwickelter Baum bei Uebersetzung in ein neues Erdreich das alte bis an die letzten Ausläufer seiner Wurzeln mitnehmen muß. Die Wirksamkeit der in Kongreßpolen lehrenden großen Lehrer war auch dementsprechend im Gegensätze zu der älteren revolutionären Schule eine eruptive, mit außerordentlichem Feuer auftretende, die nach ihrem Ableben ohne Vermittlung und ebenso plötzlich erlosch bis auf einen kleinen Kreis von Nachfolgern. So kam es, daß R. Moses Teitelbaum, der von dein uralteil Usus der Ertheilung von Amuletten (wie dies auch R. Akiba Eiger zu thun pflegte, Gebrauch machte, mit den polnischen Rabbis in Widerspruch gerietb, welche seit dem Balschemtow.das Ertheilen von geschriebenen Amuletten mit kabbalistischen Sprüchen als Entweihung streng verpönt hatten.