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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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Würdigen Parallelismus, in denen sich zur selben Zeit eine dem nwdcrncn Spiritismus durchaus ähnliche Bewegung gleichzeitig mit einer Theosophic entwickelt hatte, die unter den Waldensern und Albigensern das römischklerikale Joch abzuschüttcln bemüht war.

Renan hat in einer mehr geistreichen als gründlichen Eauseric nachgcwiescn, daß es heute als vollkommen unwissenschaftlich gilt, derartige Erscheinungen des Parallclismus ans rein mechanischem Wege erklären zu wollen, wie dies namentlich unsere seichten psendofemitischen Kritiker der veralteten Berliner Schule als höchste Weisheit auskramten. Es sei vielmehr durch eine Anzahl von Beobachtungen bei den verschiedenartigsten Nationen, die räumlich und zeitlich durch unmöglich zu über­springende Barrieren getrennt waren, eine derartige Fülle von Beobachtungen dieses Problems zu konstatiren, daß die Abhängigkeit desselben von ganz bestimmten Gesetzen, deren Erforschung R6nan mit schwacher Hoffnung ans Erfolg der Zukunft überläßt, nicht bezweifelt werden dürfe. Trotz den kärglichen Nachrichten aus jener mittelalterlichen Epoche sind die bekannt gewordenen Parallel-Strömungen um so interessanter, als dieser gleichzeitige Parallelismns ein Gegenstück in dem durch fünf Jahrhunderte getrennten Chassidismus findet, der wiederum einen weit höher ent­wickelten und weit erstaunlicheren Parallelismus mit der eben so neu und unvermittelt anftretendeu arischen Geistesströmung seiner Zeit aufweist. Während hier jedoch nachweisbar die Annahme äußerlicher Berührungspunkte schon durch die chronologische Aufeinanderfolge der Erscheinungen und die unüberbrückbare Scheidewand, welche die verschiedenen Geistesgebiete trennt, ausgeschlossen ist, finden wir im Mittelalter einen ziemlich regen Verkehr zwischen den Trägern der parallelen Systeme, dessen voll­ständiger Mangel in der neuen und letzten Periode eher als Vortheil empfunden werden kann. Wir finden nämlich in den Schriften des Rokeach und seines Lehrers R. Juda Chassid einen lebhaften Verkehr mit den sogenannten Philosophen jener Periode, wie sich die Mystiker und Spiritisten schon damals zu nennen beliebten, der nicht Wunder nehmen kann, wenn man die damalige gesellschaftliche Stellung der Juden in's Auge faßt. Dieselben standen an der Spitze der oberen Zehntausend, die sich zu den primitivsten Anfängern der Kultur emporzuarbeitcn begannen. Sie waren die einzigen Vermittler der damals blühenden arabischen Kultur in Philosophie, Medizin, Rechtswissenschaft und Politik. In engstem Kontakt mit den Bewohnern der Länder, deren Sprache auch die ihrige war, bedurfte es der ganze» blinden Wuth klerikaler Hasser, um die Schranken aufzurichten, welche sie vor der Assimilation und dem Verschwinden und Aufgehen in dem Völkerozean retten sollten. Wer in jener Zeit des Materialismus, des rohen Faustrcchtcs, sich den Sin» für Gedankenarbeit bewahrt hatte, suchte die Juden auf, deren Hochschulen die Vorbilder zuerst der arabischen, dann der europäischen Universitäten geworden waren. In diesem Wechselverkehr haben die Juden viel Nützliches gegen Werthloses eingetauscht. Die Weltweisheit, die in den in jenen Schriften zitirten Mittheilungcn der arischen Gelehrten enthalten war, zeugt von einem Tiefstand der geographischen, astronomischen und physikalischen Begriffe, wie ihn nur die öde Wüstenei des arischen Mittelalters Hervorbringen konnte. Dafür empfingen Jene in der Uebersetzung des iUoi'öll ein kostbares Dynamit zur Sprengung der Felsbarren, die den Weg der Vernunft ungangbar gemacht hatten.

Wie ganz anders gestaltet sich das Verhältniß der Schule des Baljchemtow zu der am arischen Firmamente auftauchenden Gruppe moderner Geister! Nicht der leiseste geistige Windhauch vermag die Bergeshöhen zu überschreiten, welche die beiden Gruppen trennen.

Unser berühmter Or Ilookujim giebt uns den ersten Entwurf eines Gesetzes über die Erscheinungen des Parallelismus in seinem Kommentar zu I.B. M. 22, 20. Da heißt es bei der Geburt Rebekka's, daß dem Abraham berichtet wurde, es seien