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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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Nachmanides, der engste Geistesverwandte des Maimonides unter allen Gelehrten, war durch seinen Verkehr mit den 6iiU88iä§ Hlomnnin einerseits und die Bekanntschaft mit den französischen Nekromanten andrerseits sehr gegen seine ursprünglichen Jugendansichten andrer Meinung geworden und hatte die von M. verworfene Ansicht acceptirt, daß diese Dinge nicht bloß deswegen verboten seien, weil sie auf Betrug und Schwindel beruhen, sondern auch, weil sie einer unreinen Sphäre angchören und, von den heidnischen Culten für ihre Greuel ausgebeutet, dieselben zu erzeugen und zu befördern geeignet seien.

In seinem wunderbaren Werke über die Zählung der 613 Gebote geht Maimonides, dessen Auge kann irgend ein psychologischer Vorgang entgangen war, bei dem Verbote 31 etwas näher auf diese Probleme ein.

Maimonides sagt nämlich: Mit I<6886in (Zauberei) verbietet die Thora die Thätigkeit der Einbildungskraft, die wir bei all den Spiritisten beobachten, die Wahrsagerei treiben, und zwar kann diese zutreffen, da ihre Einbildungskraft stark ist und sie darin eine gewisse Uebcrlegenheit haben, wie wir sie auch hinsichtlich anderer Geistespartien bei einzelnen Individuen antreffen. Nun können diese Leute mit starker Einbildungskraft diese nur durch irgend eine Handlung in volle Thätigkeit setzen, so Manche durch unausgesetztes Schlagen eines Stabes an die Erde, unter sonderbarem Schreien, wobei sie sich von der Gedankenthätigkeit losmachen und einen Punkt lange Zeit fixiren, bis sich bei ihnen eine Art epileptischen Zustandes einstellt und die Weissagung eintritt. Das habe ich im äußersten Westen (Marocco) beobachtet. Andere wieder richten Sandfiguren auf, eine in Marocco sehr häufige Gewohnheit. Andere wieder werfen Steinchen auf einem Lederteppich aus, fixiren dieselben unverwandt und fangen dann zu reden an. Diese Art habe ich überall angetroffen. Andere wieder legen einen langen Ledergürtel auf der Erde aus, fixiren ihn ebenfalls mit ihren Blicken und sehen dann Geheimnisse. Alle diese Prozeduren dienen nur dazu, ihre Einbildungskraft in Schwung zu versetzen, aber die Prozedur an sich hat gar nichts zu bedeuten und steht in keinem Zusammen­hänge damit, lind da ist der Jrrthum der Menge, die da glaubt, daß, weil manche Voraussagungen eintreffen, die Prozeduren daran Schuld seien, wie die Astrologen selbe den Sternen zuschreiben. Auch die Sterne dienten nur als Fixir- mittel für die Einbildungskraft des Astrologen, Beweis, daß zwei Astrologen wohl dieselben Konstellationen benützen, aber nie ein und dasselbe Vorhersagen. Jede Art dieser Prozeduren hat die Thora verboten. In dem Hauptwerke erklärt M. noch eine Art der Zauberei, die der Metallflächenvision (zinnerne Schüssel des berüchtigten Jacob Böhm, in welche Hartmann seine Philosophie eingebrockt hat).

Jedenfalls sieht man, daß die ungemein scharfe Beobachtuugskraft dieses Weltweisen unter dem Banne eigcnthümlicher Thatsachen sich hier schon der Ansicht des Nachmanides nähert.

Interessant ist es, wie im lllorob seine Kommentatoren, Scheintow und Mose von Narbonne, angesichts einer unerklärlichen Thatsache in Verwirrung gerathen. In Theil I, Abschnitt 62, bespricht nämlich Maimonides die heiIigen Formeln (NIQLh des Talmud, die nur als Inhalt tiefer überlieferter Lehren wsrthvoll seien, aber nicht in dem Sinne des Pöbels, welcher beliebig zusammengewürfelten, gedankenlosen Formeln an sich Wunderkraft zuschreibt. (R. Isaak Lurja sagt fast dasselbe.) Darauf erzählt Mose von Narbonne, er habe einen wenig scharfsinnigen Mann gekannt, der eine Formel ausgesprochen und sich dann eine Schusterpfrieme in die Hüfte gestochen habe, ohne daß ihm dies Schmerzen verursacht oder eine Blutung hervorgernfen hätte.Ich wollte ihm das nachmachcn, aber es war unmöglich, da ich sofort die Verwundung spürte. Nun hatten wir beide als Jünglinge diese Formel