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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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nahenden Regen hört, »ins; er, um denselben auf die Erde.herabzubringen, erst mit Abstreifung alles Körperlichen einsam auf der Höhe des Karmel sich ins Gebet versenken. Seine Seele, die in unbekannten Regionen weilt, hat den Ausblick ans die niedere Welt derart verloren, daß er seinen Diener ans den Berggipfel schickt, um nach Westen auszuschauen und, da er die Antwort bekommt:Es zeigt sich nichts", dies siebenmal wiederholen muß. Beim siebenten Male wird ihm die Nachricht, daß eine handgroße Wolke am Meere aufsteige, worauf er dein König eiligst vor dem herannahenden Regen zu flüchten auftrügt. Der Prophet als körperlicher Mensch kann seinen Blick eben auch nur in einer bestimmten Richtung konzcntrircn. N. Juda Chaßid benützt diesen Umstand zur Erklärung des Charakters des Gechasi, der, trotzdem er von der Prophetenmacht seines Herrn, des Propheten Elisa, überzeugt war, von seinem Eigennutz sich verleiten ließ, hinter seinem Rücken Geld von dem syrischen Heerführer Naaman zu fordern. Der größte Mann gilt bekanntlich nichts vor seinem Diener, der ihm bei seinen allgemein menschlichen Bedürfnissen zur Hand ist, und beobachtet, daß es Zeiten gibt, in denen auch der Prophet auf das Niveau jedes Menschen hinabsteigen muß, während er bei seinem seelischen Hochstuge dem Irdischen gänzlich entrückt ist. Das meinte Elisa mit den Worten: "^7!

Meine Seele war nicht abwesend", ich habe vielmehr gesehen, wie sich Jemand aus dem Wagen zu Dir hinausbeugte. Gechasi war der Prototyp eines Ondkmi (Famulus), so daß das chaßidische Sprüchwort sagt: Jeder Gabbc ist ein Gechasff aber nicht jeder Rebbe ist ein Elisa.

Genau dasselbe, was uns die heilige Schrift von Elia berichtet, bezeugt die Mischnah lange nach dem Aufhören der alten Prophetie von Choni Hamcagcl zur Zeit der letzten Hasmonäerfürsten. iUcmssai heißt Dachdecker. Die Lehmdächer im Orient wurden nämlich mit einem runden Holze glattgcpreßt, was in der Mischnah (in sephardischer Aussprache Xbm^iln, daher das slavische ^luZiel und das deutsche Nun§e1 zum Wäschepressen.) Choni. der, wie alle alten Mischnahlehrer, ein Handwerk betrieb, stellte sich, wie die Mischnah Taanit gleichlautend mit Josephus berichtet, als einst der regelmäßig im Oktober eintretende Winterrcgcn ausgebliebcn war, zum Gebete in eine von ihm gegrabene Grube und sprach:Herr der Welt! Deine Söhne haben ihr Augenmerk auf mich als Fürsprecher bei Dir gerichtet, um Regen zu erbitten. Ich weiche nicht von hier, bis Du mein Gebet erhörst." Als dies erfolgte, sandte Simon den Schetach, der Oberrichter, zu ihm:Ich würde Dich in den Bann legen, denn wenn vielleicht heute im Verborgenen ein zweiter Elia da wäre, in dessen Hand die Verwaltung gelegt war, so wäre Dein Gebet unerhört geblieben; aber was soll ich mit Dir thuu? Tu bist ein Kind, dem der Vater Alles nachgiebt."

Die Grundlage der Thora bildet die Lehre, daß der Mensch, im Ebenbilde des Schöpfers geschaffen, von diesem in einem gewissen Grade zum Herrn über die Schöpfung gemacht worden sei. Und trotz aller Vcrinnerungen schlummert das Bewußtsein dieses hohen Ursprungs in der Menschensecle, bethätigt sich je nach ihrem Range entweder rein äußerlich in irdischer Thätigkcit oder geistig und psychisch bei den zur höchsten Vervollkommnung gelangten Ansnahinemcnschen. Das Thier beugt sich diesem Gesetze, und selbst 'der König der Thiere. der Löwe in seiner Wildheit, kann sich ihm nicht entziehen. Die höchste Vollendung dieser Aufgabe erreicht Mosche, dessen Auftrag die Natur sich beugt, vor dem das Meer zurückweicht, der Felsen Wasser und der Himmel der Wüste Speise spendet, die Wolkensüule den Sonnenbrand abwcndet, die Feuersünlc die Nacht erhellt. L'O)- 2", sagt der

berühmte Mahral von Prag. Das heißt: es giebt höhere Weltordnungssysteme, ans denen Eingriffe in die Naturgesetze erfolgen werden können. Daraus erklärt sich, daß

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