— 210 —
berichtet. Der Verfasser des Lrib N6iiueti3.ii, aus der Schule von Narbonne, in welcher die Ueberlieferung R. Hai Gaon's lebendig war, R. Abraham bar Isaak von Granada, Schwiegervater des Rabed, baut sein berühmtes Werk auf dieser praktisch bethätigten Lehre auf und schildert die seelischen Phänomene, in welchen die Seelenorgane, als deren äußere Hülle die Körperorgane gelten, in diesem Aufstiege erscheinen. Aber er individualisirt sie nicht und hat anstatt der Namen bestimmte!Formeln.
Der Jii, der seinem Werke den höchsten Rang einräumt, es in gewisser Beziehung höher stellt als den Sohar. setzt an die Stelle der Formeln Namen von Individuen, was dem bereits wiederholt zitirten Otissssä 1' Jiirulmm II von Faslow den Anlaß gegeben hat, von der in der Nacht des Golus eingetretenen Verdunkelung der Lehre zu sprechen.
Der Schlüssel für das richtige Verständniß dieser psychischen Probleme liegt in der von der modernen experimentuellen Psychologie beobachteten sogenannten „dramatischen Spaltung des Ich". Die alte Lehre wurde von der nach Außen wenig bekannten, aber um so bedeutungsvolleren Schule von Narbonne 7D2N, die Wissenschaft des Ich, genannt.
Das „Ich" muß nun ein bestimmtes Organ, einen Sitzpunkt haben, dem freilich mit dem Messer des Anatomen ebensowenig beizukommen ist, wie mit philosophischen Phrasen. Das Wort ^ni, das im Arabischen „Gefäß", im Hebräischen „Schiff" bedeutet, wird bei unseren Weisen als das Schifflein der Seele geschildert, das alle ihre Maaren und Mannschaft trägt. „Das Ich schläft, während das Herz wach ist." Obwohl die Erkenntniß des Erdkörpers und selbst der entferntesten Himmelskörper viel leichter und viel weiter fortgeschritten ist, als die des dunklen Welttheiles, der uns als eigener Körper doch am nächsten liegt, so haben wir doch schon allgemeine Begriffe von der Theilung der Lebensthätigkeit in das wache Bewußtsein des Gehirns, in das unbewußte, vegetative des Zentralnervensystems im Rückenmark und das noch weniger bekannte des I>!6rvii8 8.ymMtIiieu8, der mit dem V3.AU8 die Herzthätigkeit beherrscht, und des Gangliensystems.
Im Schlaf tritt ein Zustand ein, welcher die richtige Accomodation des seelischen Auges ermöglichen würde, wenn das Licht des Bewußtseins mit Aufhebung des letzteren nicht erloschen wäre. Die Thätigkeit des Herzens aber ist nicht, wie die des Großhirns, vom Schlafe abhängig, ebensowenig die eines höheren oder inneren Bewußtseins, des ^in, des sogenannten Unbewußten, welches nicht ins Bewußtsein gelangt, weil es als Nichtig der Gegensatz des ist, das im Schlafe vor Anker gegangen ist und seine Thätigkeit unterbrochen hat. Den Sitz der Seele verlegt der Verfasser des Kommentars (Rabed) zum Letsr R. Josef bar Kalonymos,
Vetter des Rokeach und Schüler des Maimonides, in die mittlere Hirnhaut oder vielmehr das feine halbflüssige Gespinnst zwischen der oberen und unteren (zu Mischnah I). Die merkwürdige Uebereinstimmung mit den freilich nur als Hypothese aufgestellten Schlüssen der emsigsten modernen Forschung manifestirt sich bei diesem einzig dastehenden Anatomen des Mittelalters in den mannigfachsten Thesen über das Nervensystem, die nach 600 Jahren als völlig neue Entdeckungen Aufsehen erregt haben, deren Provenienz um so räthselhafter ist, als sie kaum mit Fug und Recht Maimonides zugeschrieben werden kann, während in arischen Kreisen die dichteste Finsterniß des rohesten Mittelalters über dieser Wissenschaft lagerte. Es ist die neuentdeckte Cerebraspinalflüssigkeit, die nach seiner Lehre den Sitz des Centralbewußtseins, der Empfindung und des Willens bildet, der sich der Nervenbahnen zu ihrem Verkehre von und zu bedient. Im Schlafe ist der Verkehr der Züge eingestellt. Da kommt als mühseliger Fußgänger über Stock und Stein im Finstern der Traum als Bote und Vermittler, und wenn er in das schlummernde Bewußtsein tritt, so erscheint