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die dramatische Spaltung des Jchs, in welcher die Aeußerungen verschiedener Organe und Nervenzentren als Bilder verschiedener Individuen auftauchen, denen die ungezügelte Phantasie, die unbewacht ihrer Kammer entschlüpft ist, wohl Formen, aber keinen vernünftigen Zusammenhang verleihen kann.
Anders verhält es sich bei pathologischen Zuständen, wie sie in Tausenden von Experimenten die ernstesten Forscher beschäftigt haben. Da ist zuerst der Nachtwandler, bei welchem der statische Sinn des Jchs unter einer gleichzeitig unerklärten Anziehungskraft des Mondes so lebhaft ist, daß er ihn über die steilsten Firste führt, von denen er bei plötzlichem Eintritt des Bewußtseins in den Abgrund stürzt. Hier hat ein Rollentausch stattgefunden. Das Ich hat die Nervenbahnen verlassen und sich einen Tunnel durch das Centralnervenshstem und die Ganglien gebohrt, in denen es kein waches Bewußtsein giebt. Ebenso verhält es sich mit dem somnambulen Zustande, in welchem die auch im gesunden Traume häufig durchschimmerndc eluir- vozrniics eintritt. Hier tritt die dramatische Spaltung des Jchs in verschiedenen Arten des Bewußtseins auf, in welchen sich die verschiedenen Nervenzentren als verschiedene Individuen kundgeben. Allen gemeinsam ist die durch den Rapport mit dem fremden, wachen Bewußtsein des Magnetiseurs hcrgestcllte Mittheilung, daß das Sehen durch die Herzgrube oder das naheliegende unter dem Namen „Sonnengeflecht" bekannte Gangliennetz geschieht. Dr. Benny Cohn, der Hausarzt Bismarck's, der ohne ärztliches Jnnungsvorurtheil als freier Forscher sich mit diesen Problemen beschäftigte, hypnotisirte die Frau des Hamburger Klausners R. Getsch Pollak, eine Polnische Jüdin, die weder deutsch lesen noch schreiben konnte, während einer gefährlichen Krankheit. Im Hochschlaf befahl er ihr, einen Brief zu lesen, den er auf 20 Schritt Entfernung an seine Brust hielt, mit dem Rücken zu ihr gewandt. Sie las ihn mit geschlossenen Augen, und als er sie fragte, womit sie sähe, antwortete sic im polnischen Jargon: „Mit dem Harz" (Herzen). So überraschend nun auch einzelne aus ganz fremden Sphären stammende Fähigkeiten dieser Kranken sind, so sind die Enthüllungen derselben doch für die Wissenschaft werthlos. Die alten Aegypter verstanden, nach der Behauptung des R. Juda Choßid im 8skar OimWickim, die von ihnen angebeteten Thiere, das Schaf, die Katze, zu hypnotisiren, wobei selbe Schaf und Kater blieben.
Immerhin liegt den PsraMim und auch der Pythia von Delphi, an deren Thor das vielgepriesene „Erkenne Dich selbst" stand, diese pathologische und hellsichtige Thätigkeit zu Grunde, die auch den Ursprung der alten Heil- und Kräuter- Kunde und mancher anderen Wissenschaft gebildet hat, die ihren Ursprung in heidnischen Priesterkreisen findet. —
Die Verwandtschaft des griechischen Pksrnpin mit IllaimpkiM kann nicht ohne weiters als gewöhnliche philologische Spielerei abgcwiesen werden. Das hebräische
kommt in der Einzahl »N1N „Blöße" („Wechselblanquett" im Talmud), ebenso NDllTi „Blöße (der Festung)", vor und paßt entschieden als Benennung der Herzgrube. Hier ist auch der Sitz der sogenannten hypnotischen Kopfuhr, die es Hysterischen ermöglicht, aus dem tiefsten Schlafe genau die Zeit anzugeben. Dahin gehört auch die Fähigkeit bei Normalen, durch den festen Vorsatz, zu bestimmter Zeit aufzustehen, dies zur Minute auszuführen. Wenn Kant in seinen späteren Schriften dies durch den Umstand erklären will, daß man im Schlafe die Thurmuhr schlagen Hort, so ist das nur ein Symptom der bereits bei ihm eingetrctenen Urtheilsschwüche. die in hohen Jahren bedenkliche Formen annahm. Nun ist die besprochene Form eines Durchbruches seelischer Kräfte ein gefährlicher pathologischer Zustand und gerade das Gegentheil von dem, was unter UisxnseiUus imMselmijM, Abstreifung der Körperhülle, der Loslösung des Seelenkleides von dem starren Panzer des Körpers,