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bei Herstellung der komplizirtesten chemischen Stoffe entwickelt. Je höher die Organisationsstufe, desto schwächer wird die bauende Kraft. Schon im Thierkörper überwiegen die zerstörenden Kräfte, welche die aus den einfachsten Elementen durch die Pflanze aufgebauten hochkvmplexen Nährstoffe abbauen, verbrennen und in die Einfachheit zurückführen. Diese analytische zum Monismus anfsteigende Kraft bildet das eigentliche Agens der Vernunft, die wie das Kind zu bauen vermeint, indem sie zerstört.
Darum bleibt der Bau der einfachsten Zelle ein ewiges Rüthseh das kein Mikroskop und kein Scharfsinn löst. Beide können eine Zelle von der Größe eines hunderttausendsten Theiles eines Stecknadelknopfes bis zu der Grenze ihrer sehr beschränkten Leistungsfähigkeit in eine Anzahl von mindestens zehn komplizirtcr chemischer Prozesse zerlegen, und das Räthsel, daß ihre Thätigkeit entweder garnicht oder nur wenig abgenützt wird, führt dann wieder zu einer Reihe physikalischer unlösbarer Räthsel.
Man wird an die Anekdote von Mordche Rakower erinnert, dem seine Fantippc sagte: „Du mußt trachten, bei Deinen Freunden eine Kuh zusammenzustellen, damit wir Milch zu verkaufen haben." Am nächsten Tage brachte er eine Leber und Milz, am dritten einen Kopf und Füße u. s. w. und verlangte von der Frau, sie solle sich die Kuh selbst znsammenstcllen. Wie viele Jahrhunderte mußten vergehen, bis man, dem Hohne der größten modernen Forscher zum Trotz, die physiologische Bedeutung der Gehirnrinde feststellen konnte, die der Kälonymide vor sechs Jahrhunderten gelehrt hat?
Wie steht es mit der wichtigsten Entdeckung der Neuzeit der Elektrizität? In welchem Verhältnisse steht der wirklich bewundernswertste Scharfsinn, der die Stromwechsel und ihre Mannigfaltigkeiten im Innern der anorganischen Körper belauscht, zu der beschämenden Erklärung, daß wir von dem Wesen dieser Kraft keine Ahnung haben? Wie grundbarbarisch klingt die Benennung nach dem Elektron, dem Bernstein und dessen Anziehung von Stroh und Papier. Der Uollöuell nennt ihn „XulunUtu". Und R. Chajim Vital hat schon vor mehr als drei Jahrhunderten deduktiv diese Kraft als die anorganische Seele der Elemente im ganzen Universum bezeichnet. Man wird einwenden, daß damit für die Wissenschaft nichts gewonnen sei. Die Erfolge der Elektrotechnik überwiegen den Mangel an Erkenntniß des Wesens der Sache bei Weitem. Dem ist aber nicht so. Dem Forscher sind die geschäftlichen Erfolge der Technik gleichgiltig. Sie kommen für ihn nur insofern in Betracht, als sie ihm die äußerlichen Schwierigkeiten überwinden helfen, die ihm Zeit und Raum bereiten. Die deduktive Forschung findet in den Gesetzen der anorganischen Seele die unterste Stufe, welche nach den Gesetzen des Parallelismus als Abdruck immer höherer Organisationen auf einer Stufenleiter zur Erkenntniß und Beurtheilung der wissenswerthesten psychologischen Probleme führt.
Durch die Finsternisse der niederen Regionen, aus denen die alte, sogenannte supranaturalistische Naturwissenschaft ihre eigenthümlichen Kräfte schöpfte, führt dann der Weg zu den lichten Höhen des reinen Seelenlebens.
6. 12N „Schlangenbeschwörer", der Schlangen oder andere Thiere um
sich sammelt. (Rattenfänger von Hameln.) Unter zahllosen alten und neuen Berichten über diese Fähigkeit des thierischen Magnetismus sei namentlich ein ausführlicher Bericht des Augenzeugen ViZoroux, In dillle st 1k8 äeeouvsrtkZ modernes, 1896, erwähnt, der jeden Zweifel ausschließt, daß es sich um ein naturwissenschaftliches Problem handelt. Daß der Aegypter dabei Koranformeln benutzt, ist eben so gleichgiltig, wie die Osirisformeln, die seine Vorgänger vor Jahrtausenden benutzten. Umgekehrt: wenn Mohammed und Napoleon Hunderttausende um sich sammeln konnten, so ist das viel weniger ihren Proklamationen als einer höheren Abart dieser suggestiven Kraft znzuschreiben.