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den Augen gefallen, was für Vewandtniß es mit der seit Jahrtausenden und schon von den ersten Sadducüern als unlösbar befundenen Schwierigkeiten hat, daß die Thora über das Thema vom Seelenleben im Jenseits, das Grundthema aller außerjüdischen Religionen, ein so auffallendes Stillschweigen beobachtet. Das Wesen des Judenthums und die Grundtendenz der Thora war eben, wie Maimonides im Novell erkannt, aber immerhin etwas einseitig durchzuführen versucht hat, die Ausmerzung aller heidnischen Anschauungen, unbekümmert um den wissenschaftlichen Kern von Wahrheit, der denselben zu Grunde liegen mochte, weil gerade dieser mißbraucht worden war für das Gebäude von Lüge und Entartung den Mörtel abzugeben. Im schärfsten Gegensätze zu dem Aegypter, der sich von seinem Todten nicht trennen wollte, in ihm die Quintessenz der Heiligkeit erblickt, erblickt die Thora in dem todten Menschenkörper den höchsten Grad der Unreinheit, die sich in Abstufungen auf Personen und Gerüche durch Berührung von einem zum andern in gradueller Abstufung übertrügt und sogar durch das Weilen unter demselben Dache verunreinigt. Die göttlichen Gesetze sind aber nicht bloß, wie Maimonides mit einer cheils absichtlichen, theils unbewußten Einseitigkeit ausführt, Opportunitätsgesetze, sondern vielmehr den tiefsten Geheimnissen der Natur angepaßte Naturgesetze, und je weiter die Wissenschaft in den Alten unbekannte Regionen eindringt, desto überraschender tritt diese Thatsache vor Augen. Als rein äußerliches Pendant zu der Anschauung der Thora hat die neueste Wissenschaft in dem Ptomain, dem Leichengifte, einen der gefährlichsten Giftstoffe entdeckt, dem schon so mancher Arzt bei Obduktionen unrettbar zum Opfer gefallen ist. Aber es ist ein Jrrthum zu glauben, daß sich die Thora auf äußerlich hygienische Rücksichten beschränkt. Da giebt es noch viel tiefere Gründe, die als ungelöste Probleme der Zukunftswissenschaft angehören. Doch darüber bei anderer Gelegenheit. Die Unsterblichkeit der Seele brauchte als etwas Selbstverständliches ebensowenig erst durch einen Lehrsatz ins Bewußtsein gerufen zu werden, wie etwa bei den Gesetzen über die verschiedenen Grade der Blutschande, das wegen seiner Unnatürlichkeit nicht erst ausdrücklich erwähnte Verbot des Umgangs mit der Tochter. Der erste Mensch war in seinem Ursprung von Schöpferhand für die Unsterblichkeit bestimmt. Erst mit der Sünde, die ihn zum Sklaven des Körpers machte, trat der Tod die Herrschaft über ihn an. Chanoch entrang sich derselben, ebenso wie später der Prophet Elia. Wenn Mose ungeachtet seines höheren Ranges und obgleich die Agada von ihm sagt: OV 1^21 NL'N, dies nicht erreichte, wenn seine von Gott geführte Hand die Worte niederschrieb: -M2 22^1 „Und er begrub sich
selbst im Thale, und es kannte Niemand sein Grab", ebenso wie er in seinem Abschiedssegen an Gad sagen konnte: „denn dort ist die Ruhestätte des Gesetzgebers verborgen," so mußte dies geschehen, um sein ganzes Lebenswerk vor der Gefährdung durch religiösen Uebereifer zu retten. Sonst wäre sein wirkliches oder vermeintliches Grab zur Anbetungsstätte geworden (wie es auch Jakob fürchtete), — wie es in Wirklichkeit mit der kupfernen Schlange geschah, die er aufzurüumen unterließ. Sein ganzes Streben war, wie R. Abraham Fastower im OllöWsä 1'ullrulluin ausführt, darauf gerichtet, daß seine Persönlichkeit auch nicht als leisester Schatten sich zwischen Israel und seinen Schöpfer dränge. —
Die Seele des Individuums geht nach dem Tode in die Volksseele ein Hvp ^ Die Seele des Verbrechers unterliegt der Strafe des
N"12 NO12^); sie wird von der Volksseele abgeschnitten. Abigail erklärt
dies deutlich in ihrer Anrede an David: „Und es wird die Seele meines Herrn verbunden sein mit dem Urquell , des Lebens beim Ewigen, Deinem Gott; aber die Seele Deiner Feinde wird man herumschlendern wie in der Schleuder." Ebenso sagt die weise Frau von Tekoa zu David: „Ja, wir müssen sterben, und Gott