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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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aristotelischen Unterlage zu entkleiden und das im Quarz verborgene gediegene Gold für die Kabbala zu verwerthen wußten. Vergebens eifert der heldenmüthig treue Märtyrer der Katastrophe von 1492, R. Juda Chajit, gegen dieses Bestreben der Vereinigung ihm unüberbrückbar scheinender Gegensätze. Er muß es sich gefallen lassen, daß sein Verständniß der Kabbala im Magid ?. ^ajallllol durch R. Josef Karo als äußerst mangelhaftes bezeichnet wird. Und dennoch finden sich bei diesem großen Manne die ersten Wegweiser für die psychologische Betrachtung, welche die Kabbala seit dem ^ri eingeschlagen hat, die gleichzeitig in das Gebiet der neuesten Naturwissenschaft führen. Da wird zum ersten Male das Gebiet des Elektro­magnetismus betreten und zwar mit ihrem äußersten Endziele, der drahtlosen Telegraphie. Der Lellloll (1600> zitirt im Lollaar lmlloellii'All S. 39 einen Aus­spruch des R. Juda Chajit darüber, wie man sich die Wirksamkeit des Gebetes vorzustellen habe, das eine der Vorstellung des Laien unbegreifliche, unendlich weit reichende Fernwirkung voraussetzt. Er sagt: Wenn man einen Magnet in zwei

vollständig gleiche Theile theilt, so kann die denkbar größte Entfernung zwischen beiden nicht verhindern, daß der eine Magnet dieselben Schwingungen macht, die mit dem andern vorgenommen werden. Das Gleichniß sei dahin anzuwenden, daß die Seele im Menschen nur ein Zwillingsbruchtheil der Seelenwurzel im Himmel sei, welche durch die Andacht in dieselben Schwingungen versetzt werde, wie die Seele unten, und so das Gebet vor den Thron des Schöpfers weiterbefördere.

R. Chaim Vital (15401620) entfernt zum erstenmale die Decke, welche das Seelenleben der Natur den Augen des Weltpaukers Aristoteles als nicht denkbar erscheinen ließ, und definirt die Elektrizität als unterste Stufe und äußerste Schalenhülle einer anorganischen Seele, die alle Elemente, auch die der Himmelskörper, Zusammen­halt und ihre Formenwahl erklärlich macht, mit welcher parallel, nach gleichartigen Gesetzen, immer höhere Seelenstufen der sogenannten niederen und höheren Engelwelt, der Seelenwelt, der Sphären und Aeonen sich erheben. Seine Definition der Prophetin läuft so merkwürdig parallel mit den durch eine Kluft von ihr getrennten Definitionen des Noroll, daß man über die göttliche Kraft dieser Geister stumm bleibt vor Erstaunen. So sagt er in Lellaar 7 (Einleitung):Die Prophetie ist eine Stimme, die vom Throne des Höchsten zu dem Ohre des Propheten gelangen soll. Da das Gehör­organ des Menschen nur auf die Schwingungen des Schalles der niedrigsten Atmosphäre eingerichtet ist, so bedarf es einer äußerst vielfältigen Reihe von Vermittelungen, um die unfaßbar feine, aus den höchsten Regionen stammende Bewegung, die wir Stimme nennen, zu übermitteln. Dies kann nur geschehen, indem dieselbe bei dem Uebergange in immer niedrigere Regionen und Atmosphären Bekleidungen annimmt, die zu der Seele des Propheten in Beziehung stehen. Dieselben müssen subjektiver Natur und vorbereitet fein. Der Lollar sagt nämlich, daß kein Laut verloren geht, wie dies scheinbar der Fall zu sein scheint. Der Ton zerfällt in 3 Abtheilungen:

^1^ Stimme, Sprache und Gedankensprache. Der Sitz der Sprache ist im linken, der der Gedankensprache im rechten Hirn «M ellajlru). Da der Mensch im Ebenbilde des Schöpfers erschaffen ist, so beschafft er, ähnlich wie dieser, wenn auch in anderem Maßstabe, durch sein Gebet und feine Gedanken Engel. Es giebt solche niedrigster Kategorie und zwar äußerst unvollkommen, die der niedrigsten irdischen Region angehören. Deshalb befaßten sich die Alten mit Beschwörungen, die ihnen Mittheilungen sehr unvollkommener Natur, meistens werthlose alchymistische Ent­hüllungen, brachten, weil sie aus einer sehr niedrigen Sphäre stammten, und darum ist diese Art der Thaumetologie eine große Gefahr und verboten. Durch ernstes Studium der Mischnah und andächtiges Gebet werden höhere Engel beschaffen, und so nimmt das Gebet, die Stimme und der Gedanke immer höhere und reinere Stufen ein, die auch nach dem .Tode des betreffenden Menschen über die Zeit erhaben