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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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bleiben und nicht verloren gehen. Indem die Prophctcnstimmc diese Regioneü durchschreitet, hüllt sie sich in die von dem Propheten selbst oder durch seine ihm seelenverwandte Vorgänger geschaffenen Gebets- und Gedankenengcl ein, bis die Verbindung mit demselben hergestcllt ist. Durch die Mannigfaltigkeit der hier angedeuteten Vorbedingungen ergibt sich eine Mannigfaltigkeit der Rangordnungen der Prophetie und des Prophetengeistes, je nachdem Stimme, Sprache oder Gedankensprache mit früherer eigener oder fremder Stimme, Sprache und Gedankensprachc in Verbindung treten.

Nach dem furchtbaren Martyrium, welches die Juden der Rheingaue durch­zumachen hatten, war es kein Wunder, wenn die Schriften der deutschen Chaßidim von Erzählungen über den Verkehr mit den Seelen der Hingemordeten voll sind. Der Aufklärungssnob schreibt dies der auf das Höchste erregten Sensibilität des Zeit­alters zu. Der Psychologe von heute begreift, daß in einer Zeit, wo Kannibalen­hände alle Naturgesetze durch gewaltsame Storung der Lebenspfade zerrissen hatten, die Seele außergewöhnliche Bahnen gefunden hat, um mit ihren Angehörigen in Verbindung zu treten.

Dasselbe wiederholte sich nach der Katastrophe des Jahres 1492. Wenn wir beobachten, wie nach großen Kriegen die Weltleitung die Verluste zu ersetzen sucht, welche das traurige Uebel des Krieges verursacht, durch das statistisch nach­gewiesene Vorwiegen männlicher Geburten, so darf es nicht befremden, wenn nach so heldenmüthig überstandenen unsäglichen Prüfungen das zurückgebliebene, geläuterte Häuflein auserlesener Männer an heiliger Stätte eine Zeitlang den Himmel offen sah und die Tröstung empfing, daß ihre Opferfreudigkeit weder unbeachtet noch unbelohnt geblieben sei. Die Psychologie, welche als Frucht dieser Offenbarung von R. Isaak Lurja und seinem Schüler R. Chaim Vital veröffentlicht wurde, rechtfertigt in ihrer unübertrefflichen Weisheit, ihrem unergründlichen psychochemischen Scharfsinn und ihrer ungeahnten Tiefe vollständig die Behauptung, daß es sich um menschlichem Scharfsinn unerreichbare Enthüllungen des Propheten Elia handle. Daß der rastlose Feind des Menschen, sein thierischer Trieb, auch auf diesem Felde den überraschendsten Eindrücken Trotz bietend, zu schlimmen Verirrungen und Miß­bräuchen Veranlassung bot, konnte der Chassidismus nicht hindern, mit äußerster Vorsicht unter der Leitung vielfach erprobter und wahrhaft hervorragender Männer das einmal Errungene trotz aller Stürme und Verheerungen feindseliger Elemente festzuhalten, als uralte Geisiesschätze des Judenthums, die aus dem Schutte der Ruinen des Golus wieder zu Tage gefördert worden.

Azulai über den Chaßidismus. Der ftun.

Unter den Zeitgenossen jener Periode nimmt R. Chajim Josef David Azulai, geboren in Jerusalem 1724, gestorben in Livorno 1804, Sohn des Isaak Scrachja, Rabbiners von Jerusalem (gestorben l765>, des Sohnes des R. Jesaia Azulai (gestorben in Jerusalem 1732), des Sohnes des R. Isaak, des Sohnes des berühmten Rabbiners von Hebron R. Abraham Azulai, Verfassers des OlleWeä I'ubrullum I, des Sohnes des R. Mordcha, des Sohnes des R. Abraham Azulai, aus einer kastilischen Rabbinerfamilie, die bei der Vertreibung 1492 nach Fez ausgewandert war, einen ersten Rang ein, sowohl durch seinen Geburtsadcl, der ihn mit ange­sehensten sephardischen Gelehrtenfamilien verband, als auch wegen seiner außer­ordentlichen Gelehrsamkeit auf allen Gebieten der jüdischen Litteratur, verbunden mit tiefster Frömmigkeit und einem Ehrfurcht gebietenden Aeußern, dem Könige ihre Huldigung nicht versagten. Unter 71 hinterlasscnen großen und kleinen Werken nimmt Azulai's gellem llaZeäolim einen hervorragenden Rang ein, als Fundgrube