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hatte zu erwarten, daß Elisa zu ihm herauskäme und durch Handbewegungen seine Krankheit verscheuche. Elisa wollte sich eben nicht zu einer Handlung herablassen, ähnlich der (schon aus egyptischen Monumenten nachgewiesenen Hypnotisirungs- methode) von den alten heidnischen Heilkünstlern angewandten. Er wollte vielmehr zeigen, daß Willensgedanke und Rede genügen, und da die Thora für den Propheten dasselbe ist, was beim Hohenpriester das Ilrlm vv'tuMiiu, indem alle Vorgänge der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft für den, der Augen hat, in der Thora sichtbar sind, so sah er sich in dieser um, was mit Naaman zu thun sei. Nun ist es eine noch heute festgehaltene Ueberlieferung (nach Talmud und Nachmanides), daß der Name jedes Individuums in einem bestimmten Bibelverse zu finden sei, der mit dem Namen desselben in Verbindung gebracht werden kann. Der Name Naaman ! beginnt und schließt mit dem Buchstaben N. Solche Verse giebt es drei im ! Pentateuch (3. B. M. 1Ä, 9, ferner 6. B. M. 18, 15 und 4. B. M. 32, 32).
Und aus diesen drei Sätzen leitete Elisa den Hinweis ab, daß der Aussatz durch ^ ihn, den Propheten, mit dem Wasser des Jordan geheilt werden sollte. —
Okrasestaii III. lieber die Sendung Mose's.
1. Beantwortung der Frage, warum Mose die Rednergabe Vorbehalten war, sodaß er seines Bruders Ahron als vermittelnden Sprechers benöthigte. Weil die Prophetengabe Mose's sich von der der übrigen Propheten dadurch unterschied, daß die letztere in einem gewissen Grade innerhalb der Grenzen der Naturgesetze, wenn auch unbekannter, höheren Ranges sich bewegte, während die Mose's eine wunderbare, über den Gesetzen der Natur stehende genannt werden muß. Der Ran gleicht einem Mineur, der im tiefsten Dunkel des Bergschachtes seinen Weg zum Lichte sprengt, wobei ihm die Kraft der Halacha allein das Dynamit liefert. Sein Geist führt ihn ohne Ahnung vom Kabbala und der von ihr beeinflußten neuen Philosophie durch das Gebiet sämmtlicher Probleme, die von der ersteren intuitiv und deduktiv beleuchtet, von der letzteren diskursorisch und induktiv anzuschlagen versucht werden. Zum Verständniß seiner lapidaren Sentenzen bietet der Chaßidismus die Handhabe. Die der Gesetzmäßigkeit unterliegende Natur und die der Freiheit theilhaftige Gcdankenwahl des Geistes sind im Menschen in wechselseitiger Durchdringung zur Vereinigung gebracht. Durch Entartung tritt in dieser psychochemischen Verbindung eine Zersetzung ein, die sich in den verschiedenen philosophischen Systemen als eine bunt schillernde Färbung mit materialistischen Niederschlägen und giftigen Säuren kundgiebt. Daraus die zahllosen Jrrthümer in der Erkenntniß der in grundwesentlicher Verschiedenheit auseinander zu haltenden Systeme von Stoff und Geist, das Schwanken zwischen einem uralt falschen dualistischen und einem modern krankhaften monistischen Erklärungstriebe, in der Unfähigkeit, den höher liegenden Agnosticis und — Unerforschlichen irgend welche positive Seiten abzugewinnen. Die Vermittlung zwischen beiden getrennten Sphären bildet im Menschen das Sprachorgan, dessen höchste Entwickelung bei dem Propheten, die hinreißende, suggestive Macht der inspirirten Rede, schon aus dem Grunde etwas Fremdartiges, die Schranken der körperlichen Gesetzmäßigkeit Durchbrechendes, mit denselben im Wechselkampfe um die Alleinherrschaft Ringendes hat, weil es seiner Natur ein altruistisches, auf die Verbindung mit der Außenwelt berechnetes, soziologisches Element bedeutet. Bei Mose hingegen tritt der von jeder Impression unabhängige, die Naturgesetze des physischen Lebens harmonisch beherrschende, keinerlei Schwankungen unterworfene und in seiner Jsolirtheit nicht durch das Sprachorgan übertragbare Geist der reinen Vernunft auf, der nicht erst durch die Gegensätze der Phantasie in: künstlerischen Schaffen aus ihren Bildern und Räthseln Ideen formt, sondern nach göttlichem