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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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Vorbilde das Wesen der Dinge, abgestreift von ihren äußerlichen Phantomen, erkannt. Deshalb bedurfte er für den Kontrakt durch die Rede eines Vermittlers in der Person feines Bruders Ahron. Wenn der Run hier den Grundsatz von der keinerlei Veränderung unterworfenen, beständigen Gleichförmigkeit des Gcistesniveaus der größten Propheten aufgestellt, so korrigirt der Chaßidismus diese absolute Annahme in eine relative um. So sagt R. Abraham Fastower in der Einleitung zum 01i6886ä l'ukrulium, daß der Höhepunkt, den Mose bei der Offenbarung am Sinai erreichte, erst vor seinem Ableben wiedergewonnen wurde, als er die Worte sprach:Denn dort ist die Ruhestätte des Gesetzgebers verborgen/' Ebenso macht der Sohar einen großen Unterschied zwischen seinem Range bei den ersten und bei den zweiten Gesetzestafeln. Ebenso sagt R6äu8o1iU8 Revi zu ?. ^Vusölaeii, daß die Poesie des Liedes UuLÄnu und dessen verhüllte Form der Prophetie, die zu gegensätzlichen Auslegungen der Tanaim Gelegenheit geboten hat, dem von unseren Weisen im Talmud ausgesprochenen Umstande zuzuschreiben ist: MV NV2NN sodaß, wie er daselbst mit seiner Gedankentiefe aus­

geführt, Mose sich veranlaßt sah, die Führung des Gedankens der Rede zu über­lassen. Der Run fährt nun fort: Das eigentliche Wirken Mose's sollte darin bestehen, durch die Anbahnung des Auszuges aus Aegypten die Grundlage für die Erkennung und Anerkennung des Grunddogmas des Judenthums zu schaffen: Die Abhängigkeit der Natur von dem freien Schöpferwillen. Und dies gerade in einem Lande, in welchem der pantheistische Naturkultus, dank einer supranaturalistischen Naturwissenschaft des Spiritismus und Okkultismus, bei den ägyptischen Chartumim seinen Höhepunkt erreicht hatte. Nachdem aber auch die Anschauungen über die Seele und ihre Unsterblichkeil in die Banden dieses pantheistischen Naturkultus geschlagen waren, war es Mose's Aufgabe, die Unabhängigkeit derselben von der Natur durch die Demonstration der Abhängigkeit der Natur und der Seele von der Befolgung der Gesetze des Schöpferwillens darzuthun und auch Lohn und Strafe hinnieden durch die Abhängigkeit der Natur von dem Schöpferwillen, von dem Gehorsam gegen dessen Gebote abhängig zu machen, wodurch der Schwerpunkt der Religion in die sichtbare Welt der Gegenwart, anstatt in die verborgene Zukunft des Jenseits, verlegt werden sollte. In seiner Definition des Ursprunges der Psychologie, stellt der Run 400 Jahre vor Newton, den merkwürdigen Lehrsatz auf, daß die Grundform der mechanischen Bewegung sich auf die zentrifugale und zentripetale beschränkt 1» IX 7X P 2 VXN IQ vx '2 N'N!1 X7 WP 2 QN NVQNN 12

P2QXN ^X S. 21).

Von der anorganischen Seele, die als Elektrizität bei R. Chajim Vital für die Krystallisationsbewegung Hinweise bietet, hat der Run noch keine Ahnung. Dagegen sieht er die ersten Aeußerungen eines sich erst entwickelnden Seelcnbegriffes in der unbewußten Bewegung der Pflanze (Pflanzenzelle), in der höheren mit bewußter Willensäußerung auftretenden Lebensbewegung des Thieres und in der höchsten, mit vernünftigem Bewußtsein auftretenden des Menschen. Da allen diesen jedoch das Merkmal zu Grunde liegt, daß wir ihre Existenzüußerungen nur durch materialistische Naturerscheinungen beobachten können, die keinen Schluß auf ihre unabhängige Existenz mit dem Schwinden ihrer materiellen zulassen, so kann die unabweisbare Begründung der Unabhängigkeit der Seele von der Natur nur durch die Thora geliefert werden, die ihre Herrschaft über die Natur durch das Auftreten Mose's manifestirt.

Die Chaßidimlehrer stellen den Grundsatz auf, daß man unsere alte Literatur ihrem inneren Wesen nach ohne den Schlüssel des Jdeenkreises des Balschemtow und seiner Schüler entweder garnicht oder nur sehr äußerlich in rohen Umrissen aus dem