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Beispiel für das Verständniß des tieferen Thema's vorbereitet und benutzt das Gleichniß. So vergleicht der Run die Wissenschaft mit einem Felde, dessen Vernachlässigung durch Faulheit anstatt der Frucht, Disteln und Brennesseln wachsen läßt. Und so sagen auch unsere Weisen: „Laßt uns die Halachot durchsetzen, damit sie keinen
Rost ansetzen/' Bild und Idee sind hier grundverschiedenen Objekten entnommen, daher mangelhaft, weil willkürlich in Zusammenhang gebracht, während das vorliegende Gleichniß eines der seltenen ist, in welchen Subjekt und Objekt in ein und derselben Person vereinigt sind.
Die Grundidee des Gleichnisses ist eine geometrische. Der kleinste Jrrthum nämlich, der durch Abweichung von der aus dem Zentrum an die Peripherie führenden Linie um Haaresbreite entsteht, ist bekanntlich größer, als derjenige durch Abweichung von derselben Linie um eine Meile, die in der Mitte des Weges entstanden ist. So ist das Herz das Zentrum, von dem sämmtliche Lebenserscheinungen ausgehen, 2^122^ psychische, animalische und vegetative;
deshalb hat die Natur die größte Sorgfalt auf die Unangreifbarkeit des Herzens verwendet, das Deformationen, Brüchen und chemischen Zersetzungen weit unzugänglicher ist, als alle übrigen Organe. Das ist das Bild; und die Anwendung ist die, daß die Anlagen des Herzens die Ausgangspunkte aller Emotionen, somit aller verdienstlichen und sündhaften Handlungen sind. Deshalb haben die Patriarchen so großen Nachdruck daraus gelegt, die Töchter Kanaans von ihrer Familie fernzuhalten, weil die Vererbung sündhafter Herzensanlagen unvermeidlich gewesen wäre, die Seele und Körper gemeinschaftlich umfassen und durch die körperliche Verwandtschaft übertragen werden müssen.
Daß das Herz der Ausgangspunkt für den ganzen Bau des religiösen Dienstes ist, finden wir, wenn wir diesen in drei Kategorien zerlegen:
1. Die religiösen Gefühle, als da sind: der Glaube an Gott, an Seine Vorsehung und Gerechtigkeit in Ertheilung von Lohn und Strafe. Diese Gefühle entstammen dem Urgründe des Herzens und bleiben an dieser Schwelle stehen, welche für sie Ausgangs- und Endpunkt zugleich bildet. Dieselben lassen keine oder doch nur accidentelle Spuren im Körperlichen zurück.
2. Mildthätigkeit und Wohlthätigkeit gegen Andere. Als ein Proselyt zu Hillel kam und verlangte, die ganze Thora in einen einzigen Grundsatz gefaßt zu erlernen, sagte ihm dieser: Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst. Alles Uebrige ist nur Erklärung dazu. Hier tritt der gemeinschaftliche psychophysische Eindruck bereits in seine vollen Rechte, ebenso wie bei den Geboten, welche wie die Mazzoth als Andenken an den Auszug aus Aegypten, ebenso das Laubhüttengesetz, die Sabbathfeier als Zeichen, daß die Welt einen Schöpfer hat, auf Gefühl des Herzens und religiöse Thätigkeit berechnet sind.
3. Die Gesetze, welchen als 2'^kl keine den Massen zugängliche Erklärung beigegeben ist, die aber nicht weniger aus die religiöse Emotion des Herzens zu Gehorsam und Ehrfurcht berechnet sind.
Die Reinheit des Herzens ist daher ebenso oberster Grundsatz, wie auf der Gegenseite die schwerste Verunreinigung durch Sünde in unlauteren Regungen des Herzens ihren Anfang nimmt, nach dem talmudischen Satze:
N"N272 „ünkeusche Gedanken sind noch verabscheuungswerther als
die ihnen entspringenden Thaten."
Es wird dem Leser als eine Art enxtutio bkiwvoleuitiue erscheinen, bei der Schilderung des Chaßidismus die Schriften des knii als Deckung zu gebrauchen. Aber mit Unrecht. Wer die Grundanschaunngen und die Methode der Denkweise dieser Neuen kennen lernen will, müßte sich in eine ebenso umfangreiche, als