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entstehe. So sagt auch König Salomo (Spr. 28, 2): „Zur Strafe für ein Land yiebt man ihm viele Fürsten", und so wollte Gott Mose allein die Leitung des Volkes übergeben, der jedoch Mithülfe veranlaßte. Da solche aber durch Uneinigkeit und Verschiedenheit der Individualitäten, die sich selbst bei Propheten ausprägt, von denen, wie unsere Weisen sagen, niemals zwei in ein und demselben Style reden können (Sanhedrin 89), trotzdem die Prophetie einheitlich von oben kommt, so sollte diesem Uebel dadurch vorgebeugt Werden, daß die prophetische Kraft nicht jedem Einzelnen direkt, sondern Allen durch einheitliche Vermittelung Mose's ertheilt werden sollte, um einer Zersplitterung vorzubeugen. Daher verlangte Josua, daß Eldad und Medad durch Einsperren unschädlich gemacht würden, trotzdem sie, vom Prophetengeist ergriffen, keinerlei Vergehen beschuldigt werden konnten; denn cs schien ihm, daß sie durch eigenmächtige Verbindung mit dem Volke Störungen gegenüber den Anderen Hervorrufen konnten und darum mit ihrer Prophetie abgesondert für sich gehalten werden sollten. Mose wollte davon nichts wissen oder sie vielmehr nach einer neuen Auslegung des Wortes sich für die Prophetie
vorbcreiten lassen, was aber Josua ungerechtfertigt fand, da sie nicht mit einberufen und somit nicht berechtigt waren, die Prophetie zu beanspruchen.
Telepathie, Tele k ine sie, Fern Wirkung. — Der in so hohem Grade merkwürdige Talmudkommentator kommt min auf dieses scheinbar moderne Thema zu sprechen.
Mirjam wurde für ihre Herabsetzung Moie's bestraft, aber ohne dessen Einfluß. Denn es giebt Individuen, welche durch ihre Seeleukräfte auch auf fremde Körper einwirken können. Gerade so wie die Seele auf den eigenen Körper durch Affekte jedem Individuum eigenthümliche und dennoch bei jedem verschiedene Einwirkungen hervorruft, so kann dies, da die Seele weit höheren Regionen entspringt, als der Körper, auch auf andere Individuen übertragen werden, namentlich im bösen, zerstörenden Sinne. In diese Kategorie gehört die Macht des Blickes namentlich
des sogenannten „bösen Blickes" H'Z, den heute der magnetische Blick
abgelöst hat. —
Ösrnsolln 11. In dieser entwickelt Uan eine höchst merkwürdige Anschauung in seiner Eintheilung der gesetzgeberischen Rechtswissenschaft in theoretisches und Praktisches Recht. Die Unterscheidung erstreckt sich auf die Rechtssprechung sowohl in religiösen, wie in weltlichen Angelegenheiten. Das erstcre, theoretische, ist in die Hände des Richterstandes gelegt, das zweite, praktische, opportunistische, in die Hand des Königs. Das Letztere naturgemäß an dem Mangel einer für alle Fälle genau bestimmten Grundlage, da es mit den Erfordernissen der wechselnden Zeitverhältnisse wechselt; das erstere hat den Mangel, daß es trotz seiner theoretischen
Unantastbarkeit unter Umstünden seinen Zweck nicht erfüllt. So schreibt das Religionsgesetz vor, daß schwere Strafen über den Verbrecher nur dann verhängt werden können, gleichviel ob es religiöse Uebertretungen oder soziale sind, wenn seine volle Zurechnungsfähigkeit und Willensfreiheit bei dem Akte gesichert erscheint. Diese Feststellung erfordert das Vorausgehen einer Warnung, welche die Zeugen der That an den Thäter ergehen zu lassen hatten, indem sie ihn auf das Sträfliche seines Vorhabens aufmerksam machen. Beim Fehlen dieser Warnung hat das Richter- kollcgium kein Recht zur Verhängung der Strafe. In der Praxis entstünde so eine Störung der gesellschaftlichen Verhältnisse durch Ueberhandnchmen von Mördern, bei denen es nicht leicht wäre, Warnungen vor den Schreckensthaten anzubringen. Hier hat die richterliche Macht des Königs einzugreifen, die nicht an den Wortlaut des Gesetzes gebunden ist, wenn derselbe für den Schutz der Gesellschaft nicht ausreicht. Sowie nämlich der Zweck aller Religionsgesetze der Thora der ist, die