Druckschrift 
Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
Entstehung
Seite
244
Einzelbild herunterladen

244

Nation im Ganzen und ihre einzelnen Individuen insbesondere der Gottheit näher zu bringen, so daß dafür bestimmte Gesetze gegeben sind, deren Zweckmäßigkeit dem menschlichen Verstände bei einem Theile derselben vollständig einleuchtet, bei einer anderen Kategorie, ebenso wie bei den Naturgesetzen, nur als thatsächlich bezeugt, angenommen werden muß, so verhält es sich auch mit der religiösen Zivilgesetz­gebung, die sich von der profanen anderer Völker dadurch unterscheidet, daß sie in engster Verbindung mit den rein religiösen Gesetzen, dasselbe religiöse Motiv vor Augen hat, in ihrer Logik von den inneren religiöspsychischen Gesetzen abhängig ist. In den Niederungen rein menschlicher Verhältnisse, in welchen in den sozialen Rechts­verhältnissen keine Grenze mehr zwischen Israel und den allgemein menschlichen Rechtsanforderungen gezogen werden kann, hat also die Macht des Königs den Aus­gleich zwischen religiös-theoretischen und weltlich-praktischen Anforderungen zu besorgen. Das Richterkollegium für sich war jedoch darauf angewiesen, nach höheren religiösen Grundsätzen Recht zu sprechen, ohne Rücksicht auf die Wirkung derselben auf den Bestand der Gesellschaft. Auf diese Art, sagt er, war es möglich, daß manche Gesetze der Völker der Gesellschaftsordnung scheinbar eher entsprachen, als die religiös-politischen. ,

Nur unter ausnahmsweisen Verhältnissen bei dem Fehlen des weltlichen Armes, war es dem Richterstande gestattet, die Prärogative des Königs zu über­nehmen und zum Schutze der Religion über das theoretische Gesetz hinauszugehen. (Sanhedrin 46.) Wenn z. B. der Prophet Samuel es Israel als ein Vergehen anrechnete, daß sie auf die Wahl eines Königs drangen, so lag dies daran, daß sie sich von der religiösen Rechtsprechung freimachen und dieselbe ganz einem König übertragen wollten, der dieselbe nach fremdem Muster ^22 121222^ rein

weltlich einzurichten hätte. Dagegen hatte die Thora, in Voraussicht der unumgäng­lichen politischen Nothweudigkeit, dem Könige einzuschärfen befohlen, daß seine Macht­vollkommenheit lediglich zur Beschirmung und Erhaltung des göttlichen Gesetzes verwendet werden dürfe. Diese feinsinnige Betrachtung finden wir fast fünf Jahr­hunderte später ganz unabhängig, vertieft und eriveitert bei R6än8o1iU8 Ruvi wieder, als Zeithcrrschaft der mündlichen Tradition, die in Anpassung an die herrschende Zeit bald mit Strenge, bald mit Milde von Generation zu Generation das Bild der Gesetzgebung ändert.

Wir haben im Run den Philosophen der Talmudforschung kennen gelernt, der sich frei aus der Machtfülle des talmudischen Geistes selbst erkennt. Gehen wir nun zu einem Zeitgenossen über, der das Wesen des Chaßidismus seiner Zeit auf dem Felde der Kabbala des Talmud entwickelt hat!

R. AvigdorKroo (13691439).

(S. David Podiebrad, Alterthümer der Prager Joscfsstadt S. 20. Grab des Rabbi Avigdor, Sohnes des Jizchak Karo. Zuvörderst muß bemerkt werden, daß Podiebrad nach Rapaport fälschlichKaro" liest, weil letzterer den Namen auf die französische Gelehrtenfamilie, von der ksOI' '"I bei Raschi erwähnt wird, bezieht. Das ist ein Jrrthum. Karo wäre l-iXs? zu schreiben und ist ein spanischer Familienname. Unser xisp heißtVorleser des Schrifttextes" und kommt unter diesem Titel schon im Midrasch und Talmud vor. In der Familien­tradition seiner Nachkommen in Polen sowohl, als auch in der alten Prager, spricht man ihnKroo" aus, undKroo" ist eine Stadt in Böhmen, die sein Geburtsort oder früherer Wohnort war, bevor er nach Prag zog. Podiebrad schreibt: Sein