248
Vorrede sagt, zwischen seinem Msellnsll Dlloru und der Thora Mosche's irgend ein zweites Lehrbuch benutzt werden sollte, ein Unternehmen, das ebenso kühn war als früher die Abfassung eines Mischnah durch seinen Ahnen gegen das bestehende Verbot, die mündliche Tradition niederzuschreiben. Aber die Zeit verlangte es, um das Gesetz zu retten, und so war es auch zu Maimonides Zeiten, so daß Nach- inanides (Ramban) den Sturm der Gegner mit den Worten beschwichtigt:
WVVIL' IIIDvN „Und die verlassenen Palastruinen unseres
Talmud stellte er für die Ewigkeit wieder her." Sein Werk fand nicht den Platz, den ihm sein Autor an der Stelle des Talmud eingerüumt wissen wollte, sondern nur neben demselben, mit Ausnahme des Landes Jemen, dessen Juden seinen Wunsch genau befolgt haben.
Aber so wie bei Josephus (eontru Schonern) von den jüdischen Soldaten berichtet wird, die, wie Josua, mit der heiligen Schrift in den Kampf zogen, so machte sich auch in diesen Zeiten des heroischsten Todeskampfes das Bedürfniß nach einem neuen R. Achai Gaon fühlbar, der Thora und Tradition in engster Harmonie in einer Hand vereinige, und das versuchte R. Avigdor Kroo auf dem zuerst von Nachmanides vorgezeichneten Wege der Kabbala. Die Extreme berühren sich. Gerade so wie der Spanier (eigentlich Girondist) llg.ii als Leitmotiv für die Beur- theilung des Talmud den Lehrsatz aufgestellt hatte, daß derselbe nur als Fortsetzung der Prophetenwissenschaft in der einzigen Richtung, die Verbindung zwischen dem Menschen und der Gottheit herzustellen, aufgefaßt werden könne, ohne jedoch die Schlüssel für die Lösung dieses Problems herzugeben, war R. Avigdor's Streben mit größter Energie darauf gerichtet, selbst in der scheinbar trockensten juristischen Diskussion die unabweisbar mystische Grundlage nachzuweisen. Er bedient sich dabei geradezu drastischer Mittel. Er bespricht alle Gesetze der Reihe nach und forscht nach ihrem Zusammenhänge mit den Gesetzen der Schöpfung. Willkürliche Gesetze giebt es in der Thora nur in demselben Grade, wie es willkürliche Gesetze in der Schöpfung giebt, als Ausfluß eines keinerlei Gesetz unterworfenen Schöpferwillens. Aber gerade so wie dieser die Gesetzmäßigkeit geschaffen und einen planmäßigen Kausalnexus hergestellt hat, innerhalb dessen sich der Kreis der Schöpfung bewegt, so die Thora.
Der Pentateuch ist klar wie das Tageslicht, das den Weg des kleinsten wie des größten Lebewesens gleichmäßig erhellt. Richtet das Auge sich jedoch direkt auf das Tagesgcstirn, so muß es erblinden, und sein Licht, das uns den Himmel in so gleichmäßiger Bläue zeigt, verdeckt uns dessen Inneres vollständig, das uns die Nacht in einem unendlichen Bau zahlloser Sterne als aufgeschlagenes Himmelsbuch zeigt. Die Tradition ist die Nacht, ohne die wir von dem inneren Bau der Thora nicht einmal eine Ahnung hätten. Den Zusammenhang zwischen Beiden herzustellen und die Beweisführung, daß dies nur auf dem Wege inspirirter Prophetenwissenschaft möglich sei, ist die Ausgabe, die sich R. Avigdor gestellt hat.
Der Weg, den er einschlägt, beginnt mit der NO^"IN, d. h. er stellt sich auf den Standpunkt der Feinde, die bestrebt sind, die Hecken und Verhaue, mit denen sich der Talmud gegen fremde Eindringlinge umgeben hat, niederzureißen. Den Ausdruck hat er, wie bereits erwähnt, dem Uggrsellslk entlehnt, der den Abschnitt 9 seines tiefen Werkes „8ollg.gr I 13 .iwri 88 g.ll" benennt und darin auf Grund der Lehren des Nachmanides und des R. Isaak (wahrscheinlich R. Isaak Or Sorua von Wien), den er in Abschnitt 7 als seinen Lehrer anführt, die verschiedenen Irrlehren und Abwege kritisirt. R. Avigdor beweist in gleicher Tendenz durch ebenso scharfsinnige als kühne Fragen, daß ganze Spalten füllende Deduktionen des Talmuds, deren Zweck ist, die Halacha aus dem Wortlaut der Schrift zu beweisen,