(S. 226—246), von welcher schon Nachmanides im Thorakommcutar sogt, daß sie die kabbalistische Erklärung geradezu herausfordert, ohne welche keine irgendwie plausible Erklärung dafür gebracht werden kann, daß das strenge, mit Vernichtung der Seelenangehörigkeit belegte Verbot der Ehelichung der Bruderwittwe ausgehoben wird, für den Fall, daß der Bruder kinderlos mit Tod abgegangen ist. Es ist ein höchst merkwürdiges Beispiel von der Behandlung der Halacha unter dem Schlüssel und im Lichte der Kabbala. Besonders zu beachten ist die Antwort, die er dem Schüler auf eine sehr scharfsinnige Frage ertheilt (S. 229): „Ich habe Dir bereits gesagt, daß sich Dir ein fremdartiger Geist zugesellt hat: aber wenn Dil zu antworten weißt, so sprich; denn die HM88g,d bleibt Hg.rwskld, d. h. die Frage ist ernst/' Auf diesem Wege ist er bemüht, mit eiserner Konsequenz keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, daß der Geist des Talmud nur aus seiner Quelle, der Prophetenüberlieferung und ihrer mystischen Wissenschaft, begriffen, keineswegs aber aus profan-juristischer Logik begründet werden kann, und daß dies nicht nur für die Allegorien der Agada, sondern auch für die Entwlickeluug der Unlnellolii aus und neben dem Schriftworte gilt. Daß der Talmud sich dabei oft in Dunkel hüllt, was schon R. Jirmija in der Klage des Propheten (Echa 3,6) auf das Exil in Babylonien, dem dunklen Lande, bezieht, so muß darauf hingewiesen werden, daß dieser Stil der Halacha uralt und viel älter ist, als der geschriebene Talmud. So finden wir bei dem Propheten Chaggai 2,11 die Frage an die Priester, als Prüfung ihrer halachischen Kenntnisse über ein Reinheitsgesetz, so in Dunkel gehüllt, daß die ersten Amoräer, Rab und Samuel, uneinig darüber waren, ob die Antwort richtig oder unrichtig ausgefallen. Ebenso finden wir in der Frage, die der Hohepriester Achimelech an den auf der Flucht befindlichen David stellt, als er ihm die Schaubrote aussolgt (Sam. I, 21, 6, 6), und in der Antwort, die ihm David giebt, in 6 Satz- theilen soviele Halachot zusammengedrüngt, daß die Exegeten R. David Kimchi und Gersonides (Ralbag), die sonst weit entfernt sind, halachische Exegese für den Text zu verwenden, gestehen müssen, daß hier ganze Komplexe von solchen zu losen sind, wie sich auch R. Juda Roprnis im ?nr9,8ellnt Qaruakim mit so merkwürdig tiefem Scharfsinn dieser Aufgabe unterzieht.
Der Talmud kann und darf von der Antike nicht losgelöst werden. So ist der oben erwähnte R. Jirmija die Zielscheibe des Hohnes aller schiffbrüchigen Bachurim geworden, weil sie gelesen hatten, daß man ihn wegen seiner Spitzfindigkeiten einmal aus dem Bethhamidrasch ausstieß. Als nämlich die Entfernung für die Zugehörigkeit einer aufgefundenen, noch nicht flügge gewordenen jungen Taube zum Taubenschlag auf 60 Ellen festgesetzt wurde, hatte er die Frage aufgeworfen: Was geschieht, wenn sie mit einem Fuße innerhalb, mit dem andern außerhalb der 50 Ellen steht? Statt ihm eine Antwort zu geben, warf man ihn hinaus. Die Halblaien haben aber übersehen, daß ein ähnlicher Vorgang im letzten Traktate (Niddah 23 n) berichtet wird, wo R. Jirmija an den wegen seiner strengen Askese berühmten R. Se'lra eine höchst kuriose Frage richtet. Dazu bemerkt R. Acha bar Jakob: Soweit hat sich R. Jirmija Mühe gegeben, um R. Se'lra zum Lachen zu bringen; dieser aber hat doch keine Miene gezogen. Er trat eben überall als Palästinenser, als Kritiker der babylonischen Behandlungswcise mancher Fragen auf und zog sich dadurch einmal eine Relegation zu. So hat auch unser Verfasser in den trübsten Zeiten einen zuweilen recht derben Humor bewahrt, dem keinerlei Drangsal etwas auhaben konnte.
In vollster Ueberciustimmung mit dem Sohar, den er übrigens nur einmal (S. 147) und zwar indirekt erwähnt, stellt er den Grundsatz ans, daß Talmud und Kabbala unzertrennlich miteinander verbunden und crsterer auf den Grundzügen der letzteren aufgebaut sei. So sagt er S. 150 als Antwort auf einen ganzen Fragen-