komplex: Ja, unsere Weisen wußten von den göttlichen Gründen und konnten jede Einzelheit nach göttlichem Willen seststellen, und deshalb gebietet die Thora: „Du sollst nicht abweichen von ihren Vorschriften weder rechts noch links"' die späteren aber, denen die inneren Gründe fehlten, ließen sich in fehlerhafte Dispute ein, die weder Hand noch Fuß hatten. Ebenso sagt er (S. 8): Die schriftliche Lehre und die Tradition gehören zwei Himmelssphären an, die wir figürlich mit Sonne- und Mondsphäre bezeichnen. Dort ist der Ursprung der Seelen unserer Weisen, die
auch nach der Ankunft in dieser niederen Welt mit ihrem Ursprung in Verbindung stehen; so wie Jesaia (48,16) sagt: „Seitdem sie (die Lehre) war, war ich dort,
und jetzt hat mich der Ewige geschickt und Sein Geist." — S. 14 erklärt er die
ckösetubg. 80 Ü 6 l irmulud, irwtibtu äsrukin, von der im Talmud so häufig die Rede ist, dahin, daß jede Versammlung von Weisen ihr Gegenbild im Himmel hat, wie auch die Seelen der Gelehrten ihre Beschäftigung nach dem Tode fortführen und sich mit den Lebenden in Verbindung setzen. S. 16 spricht er über das Verhältniß des Schülers zum Lehrer und betrachtet den ersteren als eine Art Halbproselyten, der erst durch den letzteren in den Bund eingeführt wird. Die Ehrfurcht und
Unterwürfigkeit, die er dem Lehrer bezeugt, hat eine geistige Feruwirkung dahin,
daß auch die außerhalb des Kreises stehenden Völkergenien sich dem Judenthum als dessen Schüler unterwerfen. Noch weit strenger tritt er gegen das Studium der ,Thora, wo es aus egoistischen Motiven, nicht um ihrer selbst willen, geübt wird, auf, das ja im Talmud selbst in mannigfachen Variationen mit den schärfsten Ausdrücken verurtheilt wird. So tritt er unnachsichtlich gegen die Rabbinen niederen Ranges auf und sagt (S. 22): Jetzt werde ich Dir erzählen, was ich gesehen habe. Ich traf einen Alten mit langem, weißem Barte und imposantem Aussehen. Ich wandte mich an einen Nebenstehenden und fragte ihn, wer dieser sei. Da sagte man mir: Das ist unser großer Lehrer, der uns Moral predigt; gehe ihm nicht zu nahe, denn er beißt wie Schlange und Skorpion. Ich blickte ihn an und sah, daß er ein grimmiges Aussehen annahm und seinen Bart durchfurchte, und dachte mir, die Lehre brenne in ihm. Ich ging hin und sprach zu ihm: „Laß uns in Dein
Lehrhaus gehen und Dich hören; dazu habe ich Sehnsucht." Er aber antwortete mir: „Ich sehe, daß Du arrogant bist und Dich als Frommer zeigen willst." Ich erschrak und entschuldigte mich. So nahm er mich bei der Hand und führte mich nach Hause. Da waren Weiber, nichtjüdische Dienstboten, Fässer Wein, und die Dachbalken ächzten unter der Last der Käse und des Pökelfleisches. Ich sagte: „Der Allmächtige hat Dich gesegnet; aber das ist doch nicht Gelehrtensitte." Da setzte er sich und sprach zu mir: „Mein Sohn, ich sehe, daß Du auf Abwege gerathen bist und das thust, was nicht recht ist, obwohl man Dir ansieht, daß Du von Gelehrten abstammst, die Dich aber in den Verhältnissen der Welt schlecht unterrichtet haben. Denn der Schöpfer hat den Menschen mit Augen beschaffen, um alles Gute zu sehen, zu verlangen und zu genießen. Befolge meinen Rath, iß und trinke Wein, damit unsere Glieder nicht hungrig ins Grab gehen, denn wir sind nicht umsonst geschaffen." Als ich seine häßlichen Reden hörte, betete ich, daß das Haus einfallen möge, und so geschah es, und ich brachte die Gemeinde zur Rückkehr aus den Weg der Gottesfurcht.
Von der Lehre ausgehend, daß die Tannaim und Amoraim im Range auf die Propheten folgen und in mancher Beziehung höher stehen als Engel (ein Ausdruck, den R. Mose Sofer von seinem Lehrer R. Natan Adler gebraucht hat), verlangt er von dem wahren Talmudisten die Erhebung auf eine entsprechende Stufe über das niedrige Niveau des frommen Materialismus, ganz im Einklänge mit der Schule des Rokeach und R. Jehuda Hachassid, deren Lehren er in einer besonderen Askese verschärfte, die als NlVkl von den Schülern des R. Ber Meseritscher