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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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die Neuzeit erst die Vortrefflichkeit der veterinär-polizeilichen Vorschriften des Talmud und ihre unabweisbare Nothwendigkeit dargethan hat, von denen nur die Roheit des Mittelalters keine Ahnung hatte, ganz abgesehen von den der Forschung ganz unbekannten religions-wissenschaftlichen Gründen der Psychochemie, wie sich die be­treffende jüdische Wissenschaft mit Recht nennen kann. Es bedurfte der ganzen Macht geistiger Ueberlegenheit und des prophetischen Nimbus, der die Häupter dieser Männer, wie R. Avigdor Kroo und R. Low von Prag, umgab, um unter dem Hochdrucke des Materialismus jener finstern Zeiten die Arche des Gesetzes über Wasser zu halten.

Auch in sexueller Beziehung waren die Verhältnisse des germanischen Mittel­alters sehr schwer mit den altorientalischen des Judcuthums in Einklang zu bringen. S. 204 widmet R. Avigdor denselben einen besonderen Artikel, betiteltDas gesetzliche Verbot des Tanzcns mit Frauen". Wisse, mein Sohn, daß eine wahrhaft züchtige Frau so selten ist, wie ein weißer Rabe; das bringt das Exil mit sich. Und wenn auch von wirklicher Unsittlichkeit keine Rede ist, so giebt es doch unsittliche Gebräuche. Da ist die Unsitte, daß fremde Männer mit verheirathetcn Frauen tanzen; davon bleibt die Erinnerung dann unauslöschlich hasten und beein­trächtigt die Reinheit des ehelichen Gedankens. Er geißelt dann die Einzelheiten dieser durchaus unjüdischen Unsitte. Man sieht, daß die Assimilation damals weit drohendere Formen angenommen hatte, als heutzutage bei den Juden des Ostens. Zur Vervollständigung des Bildes fehlt nur noch die Schilderung, die er S. 76 entwirft: Wisse, mein Sohn, einst kam ich an einen Ort und sah eine sehr schöne, Prachtvoll gebaute Synagoge. Neben der Bundeslade stand rechts und links je ein Thronsessel, auf welchen zwei sehr schon gekleidete Greise saßen. Ich machte ihnen Komplimente, und sie nickten mit dem Kopfe dazu. Ich sagte, das sind zwei würdige Zeugen der Thora, und beugte mich zu ihnen, um sie zu beglückwünschen, daß sie ihren Sitz in der Nähe des Paradieses (Symbol für die Bnndeslade) haben. Aber sie wußten mir nur in fremder Sprache zu antworten, die mir wie ägyptisch klang. Es waren Neue, die erst unlängst aus Aegypten gekommen zu sein schienen. Da dachte ich mir, das sind also' die zwei Kälber, die Jerobeam aufgestellt hat, um Israel zum Abfall zu bringen. Da sagte ich ihnen: Wie kommt Ihr dazu, an diesem Orte zu sitzen und das Gebet zu stören? Ihr werdet nur Unheil über Euch und die Gemeinde bringen. Da fingen sie zu schimpfen und zu fluchen an, die Gemeinde hörte das ruhig mit an, denn sie stammte von solchen, die nicht am Sinai gestanden. Als später eine Verfolgung ausbrach, gingen sie alle zum fremden Glauben über. S. 47 sagt er über das Gebet: Weh' Euch, Unwissenden, die ihr nicht die Lehre und ihre Geheimnisse kennen wollet und prahlet, wie ihr stolzen Hauptes die Synagoge betretet, wobei die schönen Schwertmesser am Gürtel klirren! Wie kommt das Eisen, das das Leben zu kürzen bestimmt ist, zum Gebet, das das Leben verlängert? (Eine Anspielung ans die Begründung des Verbotes der Thora, Eisen zur Bearbeitung der Altarstcine zu verwenden). Zur selben Zeit berichten auch die polnischen Geschichtsschreiber über die Juden: Sie tragen kein besonderes Abzeichen, sondern wie die Bürger des Landes Schwerter und Waffen. (Kommendoni um 1640.) Das war zwar mehr als ein Jahrhundert später, gilt aber für die Vergangenheit uni so eher, als das Statut des Königs Sigismund August vom Jahre 1548 diese Freiheiten aufhebt. So heißt es dort (Czacki II 213): 1) Juden und Tartaren dürfen keine öffentlichen Staatsämter bekleiden. 2) Wer einen christ­lichen Sklaven kauft, hat sein Geld verloren, und der Sklave erlangt die Freiheit. Ist derselbe als Deckung einer Schuld gegeben worden, so dient er dieselbe in 7 Jahren ab, wenn sie noch so groß ist, sonst wird ihm das Jahr mit 35 Gulden 21 groschen verrechnet (-^ 12 Reichsmark), einer Sklavin mit 21 Gulden 12 gr.