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der Offenbarung am Sinai heißt: „der ich Dich aus dem Lande Aegypten herausgeführt habe", und nicht nur zum Andenken an die Wunder, welche in den Gang der Natur eingegriffen haben, sondern um durch Beobachtung der göttlichen Gebote auch heutzutage dieses Eingreifen herbeiznführen, um den Bestand Israels zu erhalten. Wenn nun auch die Gebote nicht geändert werden, so hört die letztere Folge, die mit der Beobachtung der Feiertage verbunden ist, auf, wenn die Natur selbst derart geläutert sein wird, daß ein übernatürliches Eingreifen unnöthig wird, wie dies zum ersten Male bei Purim der Fall war, dessen inneres.Wesen damals also erst recht zur Geltung gelangen wird.
Wir schließen daher mit der Erklärung der Symbolik des Gebotes das in so engen Zusammenhang mit dem Lesen der Megilla gebracht ist. Wir haben schon bei Chanuka erklärt, daß es höhere Welten giebt, die das Walten Gottes offen vor sich sehen und daher in Liebe und Ehrfurcht vor ihm leben. In dieser niederen Natnrwelt jedoch ist Seine Herrschaft verborgen und Seine Weltleitung verdeckt. Aber alle Welten haben eine innere Sehnsucht, dem Ewigen, unserem lebendigen Schöpfer, der allen Welten Leben giebt, zu dienen. Die geistigen Buchstaben, welche die Natur beleben, sehnen sich danach, daß der Höchste Sein Walten auch hier offenbare, wie sich der Arme nach Erfüllung seiner Sehnsucht durch den Reichen sehnt. Durch die Megilla ist dieser Wunsch der niederen Natur zum ersten Male erfüllt worden. Das Lesen der Megilla soll das Gefühl neu beleben, daß nur die Beobachtung der göttlichen Lehre und Gebote wirkliches Leben verleihen kann. Darum heißt es, weil die Augen der Armen sich auf das Lesen der Megilla richten, eig. emporgehoben Wir heben sie durch die Gaben aus ihrer
Armuth zu dem Reichthum wahren höheren Lebens. — Soweit X6äu8v1iU8 Iwvi.
Die Wahl des Themas ist ebenso originell wie die Behandlung. Es ist der Seherblick des Adlers, der sein Nest umkreist und auf den Feind in der Niederung hinabstößt, von dessen Anwesenheit die unten Stehenden keine Ahnung haben. Das Thema war vier Jahrhunderte früher eines der heikelsten und heißest- umstrittenen des Talmud. Im Talmud selbst sehen wir Tanaim und Amoraim in zwei Lager gespalten. In Sebachim 62 tradirt R. Elieser ben Jakob, der Verfasser des Mischnahtraktates Middoth,. worin der Plan des zerstörten Tempels bis in die kleinsten Details überliefert ist und von welchem es heißt: „Uisvlmnt, K. Möser den llulcob lluk weiurki seine Lehrsätze sind gemessen und tadellos", daß die Quadratschrift als Neuerung durch das Zeugniß eines der drei Propheten - eingeführt wurde, von denen auch die Maße für den Wiederaufbau des Tempels, und die Vergrößerung des Altars bezeugt wurden. Höchst merkwürdig ist die Erklärung Raschi's, daß der Xir6886t.1i lluAsäoluli, der Xveiosls. MUMM, eine richtigere Auslegung der biblischen Vorschriften' gelungen sei, als selbst Salomo und seinem Zeitalter.
Dieser Tradition und Anschauung steht der lapidare Grundsatz entgegen, daß kein Prophet mehr die Macht hat, irgend eine Neuerung einzuführen, außer für Horaat Schaah einen augenblicklichen Nothsall, für einen vorübergehenden Moment, wie Elia am Karmel auf göttliches Geheiß an ungeweihter Stätte opferte NX"NN). Diese für den Bestand der Thora gegen die Wühlereien
dämonischer Sekten unentbehrliche Ansicht veranlaßt den Redaktor der Mischnah, R. Juda Hanassi, und vier andere Tanaiten, die Tradition des R. Elieser dahin zu korrigiren, daß die sogenannte assyrische Schrift keineswegs neu, sondern die ursprüngliche Schrift der Bundestafeln gewesen sei, die nach der Zerschmetterung derselben durch Mosche wegen des Sündenfalles mit dem goldnen Kalbe, durch die profane althebräische (Xotzri) ersetzt und durch Esra erst wieder rehabilitirt worden sei. Dieselbe Korrektur wird der Tradition zu theil: Die Doppelzeichen der Schluß-