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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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Daß trotz des Aufhörcns der, wenn wir so sagen dürfen, offiziellen Prophetie, der göttliche Prophetengeist selbst unter der Schneedecke des Golns seine Lebenskraft nicht eingebüßt hat, wie Chagai, einer der letzten Propheten, dies mit den Worten zugesichert hat:Das Wort, das Ich mit Euch geschlossen bei Eurem Auszuge ans Aegypten, und Mein Geist steht in Eurer Mitte, fürchtet nicht! (Chagai 2, 5)" das beweisen drei Prophezeiungen aus dem tiefsten Dunkel des Exils, deren erste Maimonides, die zweite dem Sohar, die dritte R. Chan» ben Atar angchört. Die erste haben wir oben erwähnt; sie verkündet die Renaissance der Prophetie kurz vor Eintritt des sechsten Jahrtausends unserer Zeitrechnung. Dieselbe ist insofern pünktlich in Erfüllung gegangen, als sein Zeitgenosse und Gegner Unbell sich offen prophetischer Eingebungen rühmr, ebenso dessen Nachfolger R. Esra Hanabi, wie ihn die Tossasisten nennen, und auch Samuel Hanabi, Vater des R. Juda Chassid, und die Schule des Letzteren. (Unter i^ebuall versteht Maimonides wie er im ickoreU an vielen Stellen aussührt, überhaupt weniger das Weissagen zukünftiger Ereignisse, als vielmehr die höchste, durch Offenbarung erlangte Intuition der Schöpfungs- und Weltleitungs - Systeme, an deren Lösung sich die Philosophie auf induktivem Wege aussichtslos abmnht.) Mit dem vom Schwiegervater des Uubscl, R. Abraham bar Isaak von Granada, verfaßten lll'itd ülenne.llnll, in welchem ein Jahrhundert vor dem Auftreten des Sohar ganze Abschnitte des Letzteren aus dem Wege der Inspiration in hebräischer (nicht wie dort in aramäischer) Sprache mitgetheilt erscheinen, weit umfassender jedoch mit dem Sohar selbst, tritt die uralte Prophetenwissenschaft nach Jahrtausende langer Verschollenheit wieder auf. Charakteristisch für das Wesen des Sohar ist die Prophezeiung ?. IVnsiwn S. 117: Und alle 60 Jahre von jenem sechsten Jahrtausend an wird die unterste Sphäre (sonst estooknink totäo, niedere Weisheit, genannt) sich stärken und jedesmal höhere Rangstufen einnehmen und um 6600 ( 1840) werden die Thvrc der Weisheit oben und die Quellen der Wissenschaft unten geöffnet werden und wird die Welt Ordnung annehmen, um in das siebente Jahrtausend einzntreten, wie der Mensch ain sechsten Wochentage mit Niedergang der Sonne Vorbereitungen trifft, um in den Labbath einzutreten. Als Symbol diene Dir der Vers:Im 600. Lebensjahre Noah's (krachen hervor alle Quellen der großen Tiefe, und die Schleusen des Himmels öffneten sich." Da sprach R. Jose zu R. Juda:Das ist doch eine weit größere Verlängerung des Exils, als die Lehrer vorausgesagt haben." Die Thatsache allein, daß, im Gegen­sätze zu allen Früheren, die Dauer des Exils um so viele Jahrhunderte länger vorausgesagt wurde, ist um so auffallender, als alle früheren (H2P ^L»"2) Berechner der Erlösungszeit, immer das ihrer Zeit Nächstliegende Jahrhundert ins Auge gefaßt hatten, lintll iKamwiink (um 5900 ----- 1140) stellt zwar das Jahr 5078 ----- 1318 oder 5161 ----- 1402 in Aussicht, je nachdem eine s^ellinnrall (Woche) als ^ oder sh, der Nacht angenommen wird (im Talmud wird die Nacht von Einem in 3, vom Andern in 4 Wachen eingetheilt), aber nur mit Rücksicht auf die alte lleberlieserung, daß für das 6. Jahrtausend vor 1240 das Ende des Golus überhaupt nicht zu erwarten sei. Nachmanidcs und Bcchaja hoffen auf das Jahr 1358, Abraham Abnlafia, zitirt von R. Avigdor Kroo im I'iin, auf 1290, der Letztere selbst auf das Jahr 1492, R. Elasar ben Arach im Sohar selbst auf das Jahr 6408 --- 1648, wobei zu beobachten ist, daß alle diese Voraussagungen im Gegenthcil mit den ärgsten Katastrophen zusammentrafcn. Um so merkwürdiger sticht die zitirte Soharftelle von allen anderen ab, sowohl durch die vorausgefagte Verzögerung um Jahrhunderte, als auch durch den Hinweis auf die stufenweise Entwickelung der Wissenschaft und deren Kulminationspunkt in der jüngst vergangenen Epoche, eine Prophezeiung, die den krankhaftesten Skeptiker zum Nachdenken zwingt und anstatt der von allen Früheren ins Auge gefaßten Erlösung auf dem Wege gewaltsamer