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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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6. R. Mordchai von Neschchis (sein zweiter Lehrer) kannte die ganze Kos- mogonie (Noo88ed L6r68eirM), auch viele Wunder; aber es hat außer mir Niemand gesehen, daß er es bereut hat, sich mit letzteren befaßt zu haben.

7. Es lohnt sich, zu einem wahren Zaddik 2000 Meilen weit zu gehen, obwohl man auf dem Wege das Lernen und Beten beeinträchtigt, um nur ein Wort der Wahrheit aus wahrem Munde zu vernehmen.

8. Es ist besser für den Menschen, sich in einen glühenden Kalkosen zu werfen, als ein berühmter Wunderrabbi zu sein. Wenn sich seine Anhänger am Sabbath- tisch mit besonderem Ungestüm drängten, um seine Aussprüche zu hören, konnte er sie ausahren: Was wollt Ihr? Einen Götzen aus mir machen?

9. Man muß zu Hause nach Kräften und Anlagen Gott dienen. Wenn dann Zeiten kommen, in denen es einem dünkt, daß man tüchtig Dienst leistet, ein Zaddik und einIch" ist, dann muß man zum Zaddik fahren, um seine eigene Nichtigkeit! kennen zu lernen.

10. Einmal kam auf Rosch haschonoh einer seiner Anhänger aus Rußland,

dessen Frau zu Hause ihrer Entbindung entgegen sah. Er befahl ihm, sofort heim- znkehren. Der Mann fing zu weinen an und sagte: Sv viele Menschen stellen

das Leben ein, um Rosch haschonoh bei Euch sein zu können, und so ist es mir beim Passiren der Grenze gegangen; lasset mich wenigstens über Rosch haschonoh bei Euch sein. Darauf antwortete er: Mir ist kein Unterschied zwischen einem Tage und dem andern. Wenn Gott hilft, so bete ich am Sabbath mit derselben Andacht, wie Rosch haschonoh. Uebrigens nennt der Talmud Erubin einen Eintags­schüler, klar lmrül» cleaimck.jomo, der zu seinem Lehrer ein halbes Jahr für die Hinreise und ebenso viel für die Rückreise brauchte und nur einen Tag verweilte. Der Mann mußte also fühlen, daß seine Seelenruhe bei seinem Lehrer zu finden sei, wenn er solche Anstrengungen machte; er hat aber auch verstanden, daß nach (einer Individualität der eine Tag für ihn genügt.

11. Er fragte einen angesehenen Zaddik und Kabbalisten: Saget mir, wie war der Körper des ersten Menschen beschaffen und wie der unseres Lehrers Mosche? Saget mir auch, woher hat der das heilige Buch Edojiin ge­nommen? Gewiß erst, nachdem er seine ganze Persönlichkeit derart geläutert hatte^ daß er in Wirklichkeit in höheren Regionen lebte. (R. Israel Balschemtvw (agt: Wo der Gedanke des Menschen sich befindet, dort befindet sich der Mensch). So hat er Alles gesehen. Aber heutzutage lesen sie bloß die Schriften, und glauben, daß sie im Himmel schweben; das ist aber nur Lug und Trug.

12. Der Mensch passirt jeden Tag tausend Welten.

13. Jeden Tag vor dem Gebete mustere ich das Innere der Leute, die sich bei mir aufhalten, was durch den ganzen Tag und die Nacht in ihrer Seele, ^okosob, Ruaok, ^oscwomok (Kleinheits-, Mittel-, Hochstand der Seele), vorgegangeu ist, und in jeder Welt, aus welcher dieselbe entspringt, und entferne ihre Gebrechen. Dann, während des Gebetes, betrachte ich jedes Wort, wie es aus dem Herzen zum Munde fließt. Wenn manches Wort ans diesem Wege mit einer Stockung (Livedo) behaftet wird, so entferne ich sie und reinige die Seele, wie man innere Organe des Körpers ausschwenkt; namentlich während des Segens LsiAL orvnkLenu vor Beginn der Ledinons L88iw sehe ich, was mit jedem Einzelnen in seinem Seelenleben Vorgehen wird und woher die Gebrechen jedes Einzelnen und deren Heilungen stammen.

14. Ich sehe es lieber, daß die Leute im Gebete vor mir, nicht hinter mir, stehen, wie unsere Weisen sagen: man soll während des Gebetes nicht im Rücken seines Lehrers stehen; denn so ist es mir leicht, sie aufzuheben, im anderen Falle fällt es sehr schwer.