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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
Entstehung
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15. Im Gebete ziehe ich das feurige Temperament Tavid's und die Kraft Simson's auf mich herab; denn David hat für alle Generationen Israels Feuer in die Düsterkeit der Seelen herabgezogen, und Simson hat alle Seelen­schwachen mit Energie versorgt.

16. David hat die Fähigkeit besessen, Tillim (Psalmen) zu verfassen. Ich besitze die Fähigkeit, Tillim zu sagen.

R. Uri war in dieser Beziehung nicht so sanft, wie Lsärwaims Iwvi. Als dieser einst hörte, wie seine Leute einen unwissenden Dorssmann, der seine Psalmen radebrechte, zur Ruhe verwiesen, sagte er: Lasset ihn in Ruhe! Jeder Vater versteht die Sprache seines Kindes. R. Uri hingegen, in seiner schroffen Art, sagte, als er einmal Rosch haschonoh ganz früh in die Klaus eintrat, wo seine Chaßidim aus den Bänken schliefen, zu einem Dorfsmanne, der Tillim brüllte:Schaute, was schreist Du? Siehst Du nicht, daß die Leute schlafen?" Der Dorfsmann ant­wortete:Rebbe, ich sage Tillim."So," sagte er,ein (Hauch)

von meinen Chaßidim ist besser als Deine Stimme." In der früheren Gene­ration war man bestrebt, alles durch Güte heranzuziehen und öffnete die Thore für Hoch und Niedrig. Xeäu8o1m8 Uvvi sagte einmal zu einemaufgeklärten" Religionsverächter am Rüsttage des Bersöhnungstages:Mein Sohn, thue Buße, dann werden aus allen Deinen Sünden M^vos (gute Werke)."Rebbe leb'", antwortete dieser,lasset mich noch ein Jahr in Ruhe, dann werde ich doppelt so viel Mizwos haben." Ein LulnAols (Fuhrmann) sagte ihm einmal scherzweise: Was seid Ihr denn so groß bei Euch? Zehn Balagoles dürfen Xollimelwk sagen, neun X6är>8e1m8 Uevi dürfen es nicht."

Diese Intimität des Volkes gegenüber seinen Großen und der Religion überhaupt, die einen Grundzug des jüdischen Volkscharakters bildet, hat einen Flug zur Erhabenheit; aber wo sie umschlägt, braucht sie nur einen Schritt, um zur Niedrigkeit zu gelangen. Zu R. Uri's Zeiten war es nöthig, vor dem sich herbei­drängenden Pöbel die Thore zu schließen. Das Judenthum haßt die Propaganda und betrachtet die Proselyten als eine Gefahr. Kovellin Mrim IsMrosI ll688Npmeim8, sagt der Talmud. Ebenso sagt Maimonides: Es geht nicht an, aus dem ganzeu Volke Chaßidim zu machen. Dies galt aber nur insofern, als es sich um höhere Ausbildung handelte, welche für Männer von Rang, Zentralorgane, wie sie R. Uri nannte, bestimmt ist. Aber diese waren in letzter Absicht nur dazu da, um die Massen zu einheitlichem Zusammenschluß zu zwingen.

Höchst charakteristisch für das chaßidische Lehrsystem ist eine Bemerkung des berühmten Zeitgenossen R. Scholem Rokeach von Belz, von dem später die Rede sein soll, über Korach. NAV n^l übersetzt das Targum durch 2^27081; das heißt wörtlich: er wurde getheilt. Wenn wir den Zahlwerth der drei Buchstaben des hebräischen Namens theilen, so ist die Hälfte von 1, die von "I die von N 1; wir bekommen somit die Wurzel das sind die lüallmlim, die Atome. Korach wollte den Urzustand der ersten Schöpfungsperioden, in welchen vollständige Gleichheit aller Einzelatome herrschte, einen Zustand, der in fernster Zukunft wie­der eintreten wird. So bringt jeder Idealist, der die Gegenwart voreilig durch die fernste Zukunft ersetzen will, nur Zerstörung und muß untergehen. Eine durch Form und Inhalt gleich merkwürdig gewordene Betrachtung.

Ganz ähnlicher Art war der Fehler des neuen Massenchaßidismus in Kongreß- Polen. Der Kotzker sagte: Ich habe auf einen Anhang von 400 Personen gerechnet, von denen jeder Einzelne dem Range des Balschemtow entsprochen haben würde. Durch den Massenzufall sind daraus bloß 400 Rothnasen geworden. Der cynische Freimuth des Schlnßgeständnisses hebt keineswegs die Rohheit der Arroganz des