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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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Haar gekrümmt wurde, sondern daß Edelleute in jüdischer Kleidung den Schuh der Immunität sanden. So der Graf zu Rieglitz, der vier Wochen lang im Spodek und künstlichen Peies saß und sich über einein Talmndfolianten schaukelte. In Mielec, einem Städtchen mit bloß jüdischer Bevölkerung, wagten es die Juden, den Grafen in Schlitz zu nehmen und den Bauern den Uebergang über den Fluß durch Wegnahme der Fähre zu verwehren, ohne daß die Stimmung gegen die Juden um­geschlagen wäre. Der Rabbiner Berisch Meisets in Krakau, der zugleich noch Geschäfte betrieb, hatte seinen Prokuristen Piniawer, einenDaatsch", ans eine Geschäftsreise gesandt. Der wurde von den Bauern überfallen und als er schrie, er sei Jude, verlangte man als Legitimation die Fäden, d. i. AM zu

sehen, die er zu seinem Glücke anhatte, und so erging es Jedem, der für einen Schlachzizen gehalten wurde. Die unbegreifliche Judenmanie ging so weit, daß die erste Rotte sich an den in Wielopole, etwa 1H Meilen von Dembitza wohnenden Wunderrabbi Salonion Fränkel, der damals als Schüler des R. Hirsch Ryma-j nower noch keine selbständige Bedeutung hatte, mit der unerhörten Bitte wandte^ er solle ihr Anführer sein. Als er diesen kuriosen Antrag natürlich ausschlug, j mußte er ihnen wenigstens einen jüdischen Begleiter mitzngeben versprechen. Es! war aber in dem Neste Niemand aufzutreiben, der sich einer derartigen Metamor­phose hätte unterziehen wollen, bis auf ein buckliges Schneiderlein, das aber nicht reiten konnte. Er folgte jedoch dem Befehl des Rabbiners, der sich die Mord­brennerbande vom Halse schaffen wollte. Man setzte ihn, so gut es ging, aufs Pferd, eine Pelzmütze diente als Sattel, und fort ging es, nachdem ihm eingeschürft worden war, daß er unter Ellsrsiw (Bann) von den Plünderungen nichts annehinen dürfe. Nach einigen Tagen kam das Schneiderlein wieder wohlbehalten in seine Hütte Zurück, nachdem er einige Male vom Pferde gefallen war.

Wenn diese Vorgänge sich nicht vor den Augen einer noch lebenden Gene­ration abgespielt hätten, man würde sie für eine Dichtung halten und die Unwahr- scheinlichkeit, ja Unmöglichkeit jedes einzelnen Details haarscharf nachzuweisen suchen. In RZinrnow hatte R. Hirsch das von seinem Lehrer cingeführte davidische Kriegs- lkD" üöcknviä lmrucll (Ps. 144) bei Eintritt des Sabbaths im Minchagebet des Freitag angestimmt mit seiner gewaltigen Stimme, die, wie es vom Hohenpriester im Traktat Joma heißt, bis Jericho gehört wurde. Ein alter Pole, der in die Verschwörung eingeweiht war und wie alle dortigen Einwohner eineil gewaltigen Respekt vor dem Rabbiner hatte, sagte, als er seine Stimme hörte, zu seiner Um­gebung: Wenn der Alte so schreit, dann wird ans der ganzen Geschichte nichts.

Von der unerwarteten Wendung hatte man in dem fünfzehn Meilen von Dembitza entfernten Städtchen am Freitag noch keine Ahnung. Am nächsten Tage, -Sabbath ?. Loiwllnlim, der Purimzeit, die noch immer für die Nachfolger Hamans verhängnißvoll ist, kam der Harendar ans dem eine Meile entfernten

Miejsce, als der Rabbiner gerade bei Tische saß, in das Bethamidrasch geritten,

sprachlos vor Schreck, da er noch dazu ganz vergessen hatte, daß cs Sabbath war, mit der Nachricht, daß bewaffnete Schaaren sein Wirthshans überfallen Hütten und gegen Rymanow im Anzuge seien. Es waren die Aufständischen. ^ Der Rabbiner beruhigte ihn undsagte Thora" ans das Targum des ersten Satzes der Ug.r86ll8.1 Ni86llxgtini, die sich ans die Tagesvorgänge bezog. Die furchtbare Episode war nach einigen Wochen vorüber, ohne daß die damals noch in einer

unbeschreiblichen Lage schmachtenden Inden die Größe der Gefahr und der Er­

rettung niit wachem Bewußtsein zu würdigen gewußt hätten. So sagt der Talmud: 1O22 V1N ^2 HXDer wunderbar Errettete spürt das Wunder kaum." Die Heerde stellt keine Reflexionen an über den Kampf des Hirten mit den Wölfen.