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Der Chaßidismus : eine kulturgeschichtliche Studie / von Verus
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Als nach den: Hinscheiden seines Lehrers R. Naftali Ropczycer den Sohn des R. Mendel, R. Natan Löb Torem, als dessen Nachfolger proklamiren wollte, sagte ihm dieser:Verschonet mich, wenn Euch mein Leben lieb ist; denn Ihr wisset wohl, daß dieser Sitz für Hirsch reservirt ist." Dennoch verfolgte er mit streng prüfendem Auge dessen Fortschritte. Und da er bei der Ekstase des Gebetes Gegenstände nnd Menschen, die ihm in den Weg kamen, mit übernatür­licher Kraft anzufassen und zu beseitigen pflegte, so wollte er prüfen, ob das ein wirklicher oder erkünstelter Zustand sei. Er stellte ihm daher einmal einen stark ge­heizten eisernen Ofen in den Weg, den er in der That erfaßte und sich dabei ganz gehörig die Hände verbrannte. R. Abraham Unm6nu88nti, der im Fenerofen Ge­prüfte, war ein Bruder der Poötanim R. Josef bar Samuel Tob Elen: und R. Benjamin (um 1040), hatte, wie der erste Abraham, mit dem Feuerofen Bekanntschaft gemacht, nnd da R. Hirsch's Wahlspruch war, daß er den Weg Abrahams gewählt habe, so blieb ihm also, wenn auch in kleinem Maßstabe, auch diese Probe nicht erspart.

Auch -RrMäftali Ropczycer, dessen System in der Leitung des Chaßidismns und seiner Bekämpfung aufstrebender neuer Talente bereits gekennzeichnet wurde, versuchte wiederholt, ihm etwas am Zeuge zu flicken, obwohl er ihm eine große Zukunft prophezeite und sich ihm R. Hirsch äußerlich unterwarf, während er von Zeit zu Zeit seine Unabhängigkeit geltend machte. Als R. Naftali 1827 starb, hatte R. Hirsch in Rymanow selbst Gegner in einigen gelehrten Schülern seines Lehrers, im weißen Kaftan, die eine Anwartschaft auf die Nachfolge zu haben glaubten. Die

Katastrophe von 1831 raffte diese alle hinweg, und am Eabbath ?. Xonir sagte R. Hirsch Thora bei Tische: Noah war der Iiuclor (d. h. soviel wie

Oberhaupt seiner Generation); das Dor aber wollte ihn nicht anerkennen. So mußte das ivlnkul (die Sündfluth) kommen, die alle Gegner hinwegschwemmte,

und Noah blieb der 2nciäUc irnclor. Nun ist das kein Bonmot und ungarisches

Wertet". Er sah, nach dem Programm des 8eIUotz (s. oben), die Vorgänge in der Thora, wie R. Mose Zakuto in ?. LetziaeU bei Besprechung eben dieses Letziotz hinznfügt, wie die sogenannten Miradori, Wasserseher, welche Brunnen in der

größten Tiefe des Erdreiches zu sehen die Fähigkeit haben. So sieht der Zaddik

die Thora mit ganz anderem Auge an, was nicht verhindert, daß jeder nach

seiner eigenen Individualität sieht. So hat R. Israel Balschemtow die Regel auf­gestellt: OlineUum mutzu onrer, der Weise sagt das, was er selbst ist.

Dasselbe sagte sein Lehrer R. Mendel von ihm. Der hatte ihm eine Kürschnertochter ans niederem Stande zur Frau gegeben und sagte ihm vor der Hochzeit:Mit dieser Kürschnertochter kann Dein Geist alle Welten durchgehen." Es bedürfte einer weitschweifigen Erklärung, was darunter zu verstehen ist. Es genüge daraus hinzuweisen, daß die Frau im Talmud andeutungsweise nnd im

Sohür deutlich als seelische Ergänzung des Mannes betrachtet wird, ohne welche er als schvpfunqswidriges Bruchstück (UlaA Sulu) keine Vollkommenheit erreichen

kann. Als nun seine Kinder im zarten Alter starben, sagte sein Lehrer: Er zieht so hohe Seelen herab, daß sie sich in dieser trüben Atmosphäre nicht erhalten können. Er nimmt sie so, wie er sie in der Thora sieht.

Dieselbe Art trifft man bei seinem Zeitgenossen R. Meir Premyszlauer, der gelegentlich die Erzählung, daß Jakob die Söhne Josefs nicht erkannte und fragte, wer' diese seien, gegen alle üblichen Commentare, als gesehene Thatsache mir dem Um­stande erklärte, daß dieselben, als egyptische Fürstensöhne gekleidet, in egyptischen Hüten ihm durchaus fremdartig vvrkamen. Ebenso erklärte er das Gespräch des Königs von Sodom mit Abraham dem Lembergcr Rabbiner Ornstein durch einen Umstand, der nirgends erwähnt wird. Und als der anwesende Arzt Dr. Jakob