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eine Kritik üben zu wollen, daß er jedoch Belehrung haben mochte. Darauf antwortete R. Israel: Der Talmud identifizirt Bescheidenheit und Weisheit als unzertrennliche Substanzen. Mosche wird als der bescheidenste der Menschen gerühmt; folglich war er auch der Weiseste. Salomo wird als der Weiseste gerühmt; folglich war er auch der Bescheidenste. Warum aber greift die Thora bei Mosche das Merkmal der Bescheidenheit heraus und legt bei Salomo das Hauptgewicht auf die Weisheit? Weil es im Talmud zwei Gegensätze zwischen kurv und ülalaall, Lehrer und Herrscher giebt. Da heißt es: Wenn ein Lehrer einen Verstoß gegen seine Ehre verzeihen will, so ist er verziehen, bei einem Herrscher nicht. Mosche war der Lehrer Israels und konnte deshalb auf Ehrenbezeugungen verzichten; Salomo aber war König und durfte es nicht. Man zwingt mich von oben, diesen Weg der Würde und Herrschaft einzuschlagen; es ist nicht meine Wahl, mich demselben zu entziehen.
Bei einer anderen Gelegenheit, als von Verhöhnungen die Rede war, welche übermüthige junge Chabadäcr dem R. Heschel in Jassy zu Theil werden ließen, weil sein klassischer Lapidarstyl ihrer philosophirenden Dialektik nicht behagte, sagte R. Israel: Der Apter ll'nvv ist ein Mosche in unserer kleinlichen Generation. So wie es von diesem heißt: „Und sie blickten ihm nach, wenn er ins Stistszelt ging", wozu der Talmud bemerkt, daß es darunter solche gab, die über ihn raisonirten, so ergeht es auch ihm.
Vom 8a.bdnt 6I1N8011 (vor dem 9. Ab.) sagte er einmal: Er heißt Lulldnt EiiÄSON von 0I19.8A „sehen", weil man an diesem Tage in die Zukunft schauen kann; aber es ist die Frage, ob man es soll. Der Apter Rarv (der gebräuchliche Titel des R. Abraham Josua Heschel) erzählte mir, daß ihm in seiner Jugend seine Körperorgane Zukünftiges angesagt hätten. Da habe er gebetet, daß ihm diese Gabe weggenommen werde. Warum? Wenn es Gutes ist, so geht es noch an; aber wenn Spannungen (I)inim) da sind, von denen es heißt (Echa 3, 44): „Du hüllst Dich in Wolken, daß das Gebet nicht durchdringe", so kann man sich keinen Begriff von den Schmerzen machen, die der Zaddik dabei empfindet. Aber auch im ersten Falle hat es keinen Zweck, denn es stört ihn in seiner wirklichen Andacht und Verbindung mit dem über allem Niederen Erhabenen. Das sagt auch Bileam in dem Verse (III, 24, 23): „Zur Zeit wird Jakob und Israel gesagt, was Gott thut". Es giebt nämlich Astrologen und Meteorologen, die sich mit dem Voraussagen der Zukunft befassen. Das beruht darauf, daß die Sterne mit inneren sie belebenden Kräften aus höheren Welten in Verbindung stehen, bis an die LslirotR genannten Sphären, die aus dem Unendlichen, Unfaßbaren hervorgehen. Sobald nun die Wechsel in der Weltleitung eintreten, so theilen sich dieselben von der ersten Ursache aller Ursachen durch die Kette von Sphären und so weiter mit und setzen sich bis in die physische Außenwelt fort, wo sie der Beobachtung unterliegen. Der Mensch hat aber eine innere esoterische Stufenleiter. Jakob ist die Benennung für den Körper des Zaddik, der mit seiner Seele in innigster Harmonie steht. Diese ist mit Israel bezeichnet und ist harmonisch verbunden mit den Sphären und durch diese mit dem Unendlich- Unfaßbaren. So kommt es, daß der Körper des Zaddik dem Barometer gleich die Aenderungcn anzeigt. Und so geht es auch mir: Wenn Spannungen (Dimm) vorherrschen,'fühle ich' mich schwach und niedergeschlagen; wenn aber UaeimUm (Milde) herrscht, fühle ich mich gesund und srohsinnig.
Genug, Kaiser Nikolaus fand das Wesen des Rabbiners durchaus nicht so harmlos, wie die höhnenden Philister. Er ließ sich den Rabbiner einmal vorführen und sagte: Er hat Augen wie ein NateMilc (Revolutionär), ließ ihm zuerst in
Kaminietz Hausarrest geben, sperrte ihn dann auf 7 Monate in Dunawitz ein und ließ ihn schließlich, da das Volk mit dem rollenden Rubel bestrebt war, ihn zu