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solch leuchtendem Glanze des Antlitzes ein Weibgeborener sein könne. Ebenso unbegreiflich sei es, wie ein Mensch das ganze Geld der Welt und alle Ehre der Welt wollen könne, ohne damit auch nur in leisester Abweichung etwas anderes zu meinen, als die Ehre Gottes und des Judenthums.
Freilich mußte man Augen haben, um ihn richtig sehen zu können, denn, ein kleiner Moses, wußte auch er sein leuchtendes Wesen zu verhüllen.
Ich wohnte in einem Walddorfe mit einem Nachbar zusammen, R. Salman aus Czernobiel in Lithauen, einem eigentümlichen Exemplar, sehr gelehrt und dabei Schänker, vor dessen Faust noch, als er hoher Achtziger war, die Banernburschen Respekt hatten. Der war eine Zeitlang Lehrer in Sadagora gewesen und erzählte mir, wie er, der bei dem merkwürdigen Lehrer R. Meir Przemyszlaner gern gesehen war, denselben bei seiner Ankunft, als er vom Wagen stieg, am Freitag Nachmittag aus der Mikwe nach Hause gehend traf. Als er ihn stark fixirte, fragte ihn R. Meir: Was schaust Du mich an? Willst wohl sehen, ob Meir iMra.ii or poiiorv (sein Antlitz strahlt) ? Beim Rosianer kannst Du sehen, leoraii or ponorv! Ich hatte aber keine Augen, sagte er, denn ich sah nur ein fürstliches, strenges Gesicht, sonst nichts. —
In Rußland waren inzwischen die Verfolgungen der Juden im Allgemeinen und der Chaßidim insbesondere an der Tagesordnung. R. Mordcha Czernobieler, Sohn des R. Nachum, hatte am 20. Jjar 1836 das Zeitliche gesegnet und seinen sehr bedeutenden Anhang unter seine acht Söhne, sämmtlich hervorragende Männer, vertbeilt, die zusammen über mindestens 100000 Köpfe verfügten. Sie waren alle durch große Geistesfähigkeiten ausgezeichnet und vertraten das Judenthnm mit Weisheit, Würde und Anstand. Große Reichthümer, welche ihre Anhänger erlangten, (Tolczynski u. a. Millionäre) setzten sie in den Stand, ein, wenn auch mehr bürgerliches, so doch immerhin vornehmes Regiment zu führen, ausgedehnte Wohlthätigkeit zu üben und durch die gemeinsame Blutsverwandtschaft den Spaltungen vorzubengen, welche namentlich in i^olen bei den sozusagen republikanischen Zuständen, wo Jeder auf eigene Faust Anhang warb, den Chassidismus in zahlreiche, untereinander bekämpfende Fraktionen und Fraktiönchen auflöstc. Der Aelteste unter ihnen war R. Ahron Czernobieler, der ein Alter von 93 Jahren erreichte. (Der Vater war 87 Jahre alt gestorben, auch seine übrigen Brüder hatten seine Langlebigkeit geerbt und erreichten ein Alter von mehr als 80 Jahren. Drei von ihnen habe ich persönlich gekannt, R. Abraham Twerski, unter dem Namen Trisker Magid bekannt, R. Isaak Twerski von Skwira in der Ukraine und R. David Twerski von Tolna, Männer von sehr hohem Range, Geist und Genie). Es wurde ein allgemeines Verbot gegen die Zadikows, wie der russische Erlaß die Rabbrs nennt, erlassen, aber schließlich mit Hilfe der Wunderkraft des Rubels darauf beschränkt, daß sie ihre Wohnsitze nicht ohne besondere Erlaubnis verlassen durften. Dann wurde die alt polnische Tracht von Regierungswegen verboten, als rurale ^(loevkNi, d. h. soviel als jüdische Nationaltracht,' als welche sie der Instinkt des Antisemitismus richtiger zu würdigen wußte, als die sogenannten Aufklärer.
Zur Steuer der Wahrheit muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß der strenge, sogar grausame und in seinem Hasse unerbittliche Nikolaus in seinem Kampfe gegen das Judenthnm mit wahrem Hcrrscherstolz die Lüge verschmähte und verachtete, so daß alle Versuche zur Konstruktion von Ritualmordmärchen durch sein kaiserliches Machtwort ein für alle Mal niedergeschlagen wurden. Er hatte bei Austanchen eines solchen geäußert, daß er von der Lügenhaftigkeit der Anklage um so eher überzeugt sei, als tagaus tagein sonst die gehässigsten Denunziationen leider aus den Kreisen der Pscudojuden einliefen, so daß, wenn nur ein Haar daran wäre, auch diese Anzeige nicht gefehlt haben würde. Um ganz sicher zu sein, zog er die