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Erlöschen der Flamme und dem Rückfall in eine scholastische Reaktion aber wurde das Kind mit dem Bade ansgeschüttet und ein hohler Schemen eingebildeten Gc- dankenfluges, eine Art religiöser Sezession mit ihrer Decadenz als Surrogat eingeführt. Mit hoher Weisheit und dem ihr innewohnenden richtigen Takte hat der dritte Balschemtow R. Israel die antike Hoheit und Würde des Gottesdienstes wieder in ihre Rechte eingesetzt. Ich hörte aus dem Munde des R. Abraham Twerski (Trisker Magid) während seines Aufenthaltes in P. eine interessante Bemerkung darüber: Es war in der Stube ein eiserner Ofen, der dem an Holzheizung gewöhnten Gaste Unbehagen bereitete. Ein junger Gelehrter seiner Begleitung tadelte diese Art Heizung wegen ihrer übergroßen Hitze, die im Augenblick mit Kälte wechselte. Da sagte er: „Diese Oefen sind ein Bild des jugendlichen Choßid. Im Augenblick flammt er, im nächsten ist er wieder eiskalt. R. Israel Rosianer sagte einmal: So lange der Rabbi von Lublin lebte, hat das 0llg.88iäu8 sehr geflammt, als er starb, erkaltete es. Ich und der Onkel R. Mordcha (Czernobieler), wir decken die glühenden Kohlen mit Asche zu, es scheint, daß kein Feuer da ist, dafür hält es jedoch länger an." Die Ekstase und die Ungebundenheit der damit verknüpften körperlichen Emotionen und Gesten, die bei echter Begeisterung einen tiefen, oft unbeschreiblichen Eindruck macht, wurde abgeschafft, weil sie bei dem Nachahmungstrieb der Menge zur unwürdigen Karrikatur herabznsinken drohte. Man sah bei diesem hoheitsvollen Manne, bei dem jeder Aufschlag des Auges mit Ueberlegung und Würde erfolgte, keine stürmische Bewegung. Sein stundenlanges Gebet, namentlich das stundenlange Halten des Lnlab ließ erkennen, daß dieser Körper nur eine feine Gedankenhülle bildete, und nur dem geübtesten Auge war die Weißglühhitze sichtbar, die unter dieser Marmordecke glühte. Die Chaßidim, welche nach dem Tode des R. Uri zu R. Israel kamen und von ihm als die geschliffensten Schüler gepriesen wurden, die je ein Lehrer ansgebildet, waren an die gewaltigste Emotion beim Gebete gewöhnt. Da sagte er ihnen: Wenn Ihr nicht in vollkommenster Ruhe beten könnt, so habt Ihr bei mir nichts zu thun." Sie gewöhnten sich daran, nicht ohne daß einer von ihnen (Leiser Toporower) bei der Anstrengung, seine Emotion einzudämmen, einen Blutsturz erlitt. Ansgewählte Sänger trugen die alten Melodien vor, und die berühmtesten Vorleser brachten die Kunst des melodischen Thoravortrages wieder zu ihren alten Ehren. Und da wagte Niemand unter dem Volke die Feierlichkeit des Gebetes durch ein profanes Wort zu stören, denn alle Gedanken standen im Bann der Gegenwart des hoheitsvollen Mannes.
Ebenso peinliche Stille und musterhafte Disziplin mußte bei Tische trotz der Ansammlung von Tausenden herrschen, wofür durch eigens hergerichtete Holzgebüude mit amphitheatralischen Stehreihen die Möglichkeit geboten war. Die Anziehungskraft seines Hofes und seiner Persönlichkeit war so groß, daß die besten Köpfe aus weitester Ferne sich den größten Entbehrungen und Gefahren unterzogen, um in seine Nähe gelangen zu können, was bei dem außerordentlichen Zulaufe nicht leicht war, und das Volksleben in seiner antiken Form hatte soviel Anziehendes, daß die banale Häuslichkeit häufig darunter leiden mußte. So selbstverständlich dies z. B. beim Soldatendienste ist, so empörend war es in den Augen des Philisters und der Halbchaßidim, so daß sich zwischen diesen und den „Sadagorern" eine neue Rivalität heransbildete. So fragte ihn einmal der durch seinen Witz und Komik berühmte Strelisker Choßid Jossel Broder, den R. Israel ebenso lieb gewonnen hatte, wie sein früherer Lehrer R. Uri: „Rebbe, warum sind Eure Chaßidim im Diesseits und Jenseits geplagter als alle Anderen?" — „Wieso das?" fragte R. Israel. — „Wenn ein Choßid zu einem der kleinen Rabbis fährt, was heutzutage schon unumgängliche Mode geworden ist, so freuen sich seine Schwiegereltern. Seme Frau backt ihm Kuchen und giebt ihm ein gebratenes Huhu mit auf den Weg. Das ganze